10 Jahre Leipziger Oratorienchor: Bachs Matthäuspassion in der Kirche zum Heiligen Kreuz
Im September 1993 wurde der Leipziger Oratorienchor gegründet und steht seitdem unter der musikalischen Leitung von Martin Krumbiegel. Diesen konnte man am heutigen Abend sogar in einer Doppelrolle erleben: Als Dirigent und Evangelist. Das führt teilweise zu kuriosen oder vielleicht auch nur ungewohnten Situationen, in denen Martin Krumbiegel zum Beispiel die letzten Töne seines Evangelisteneinwurfs singt und zugleich mit dem Rücken zum Chor den Auftakt schlägt für dessen nächsten Einsatz. Er wirkt sehr konzentriert in dem, was er tut. Doch nicht immer gelingt das Umschalten reibungslos. Da bleibt ihm der eine oder andere hohe Ton im Halse stecken oder der Einsatz des Orchesters klappert ein wenig. Sparzwang oder eigenwilliger Ehrgeiz des Chorleiters? Beim nächsten Konzert wäre es doch von Vorteil, solche Doppelbesetzungen zu vermeiden.
Die übrigen Solisten überzeugen, vor allem harmonieren die Stimmen miteinander. Ein solches Kleinod ist das Duett von Sopran und Alt im ersten Teil der Matthäus-Passion „So ist mein Jesus nun gefangen“. Der junge Bassist Bert Mario Temme wächst im Verlauf der Passion immer mehr in die Rolle des Christus hinein. Klang seine Stimme anfangs noch etwas hohl und es fehlte die Durchschlagskraft in der Tiefe, so wandelt sich der Klang, als Jesus die schlafenden Jünger weckt. Auch die Stimme von Bert Mario Temme erwacht dabei.
Susanne Krumbiegels warmer Alt entfaltet sich bei der getragenen Arie „Erbarme dich“ zur vollen Blüte, einfühlsam auf der Geige begleitet von Konzertmeisterin Konstanze Beyer. Adelheid Vogels Sopran erfüllt mit großer Klarheit den Kirchenraum. André Khamasmies Tenor kommt in den Arien besser zur Entfaltung als in den Rezitativen, die etwas eng und nasal klingen. Ausdrucksvoll hingegen ist seine bewegliche Stimme, die sich in perlende Koloraturen ergießt. Dem Bassisten Jörg Hempel merkt man am meisten die Opernerfahrung an, ohne dass diese im Rahmen einer Passion aufdringlich wirkte. Neben den souverän gesungenen Bassarien leiht er diversen „Nebenrollen“ seine Stimme, singt Einwürfe des standhaften Petrus, des heuchlerischen Judas und kann mit wenigen Worten den Charakter der Person erfassen und erlebbar machen.
Insgesamt strebt Martin Krumbiegel ein durchsichtiges, barockes Klangideal an. Das Neue Leipziger Barockensemble spielt auf authentischen Instrumenten, Darmsaiten statt Stahlsaiten sorgen für einen fragileren Klang, der manchmal Gefahr läuft, zu dünn zu werden. Auch im Chor setzt Martin Krumbiegel auf Durchsichtigkeit und klare Stimmführung, weniger auf Klangfülle. In den großen Chorpassagen singen Thomaner der 2. und 3. Vorbereitungsklasse den Cantus firmus. Auch die Tempi sind tänzerisch und weit davon entfernt, gerade in den Chorälen zu einem Klangbrei zu zerfließen.
Im Rahmen des 10jährigen Jubiläums sind weitere Konzerte des Oratorienchores geplant. Am Samstag, den 10. Mai 2003 erklingen um 19 Uhr in der Kirche zum Heiligen Kreuz am Neustädter Markt mehrchörige geistliche Konzerte des italienischen und deutschen Frühbarock. Im eigentlichen Jubiläumskonzert am 7. September 2003 singt der Chor die h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Veranstaltungsort ist auch diesmal die Kirche zum Heiligen Kreuz, zu der eine besonders enge Verbindung besteht. Neue Mitglieder, Mitsänger als auch Fördermitglieder, sind dem 80köpfigen Chor jederzeit willkommen. Weitere Informationen gibt es unter www.loc-online.de.vu oder unter der Rufnummer 0341 / 911 0525.
10 Jahre Leipziger Oratorienchor
Johann Sebastian Bach, Matthäus-Passion
Leipziger Oratorienchor
2. und 3. Vorbereitungsklasse des Thomanerchores
Neues Leipziger Barockensemble
Sopran Adelheid Vogel
Alt Susanne Krumbiegel
Tenor (Arien) André Khamasmie
Bass (Christus) Bert Mario Temme
Bass (Arien) Jörg Hampel
Dirigent, Evangelist Martin Krumbiegel
29. März 2003, 17 Uhr, Kirche zum Heiligen Kreuz
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