Frosch Café,02.04.03
RADA synergica, Klezmer & Folk Trio aus Leipzig
Lebensfreude in Moll
Sie sitzt auf der Bühne und isst einen Apfel. Dann tritt die zweite auf, greift in den Korb und reibt den Apfel an ihrem Kleid ab, poliert ihn blank. Dieses Kleid ist kein Konzertkleid, das geschont werden muss, in diesem Kleid könnte man sie auch auf der Straße treffen. Apfelknurpsen statt Kunst zelebrieren, da kommt schon die dritte, greift ebenfalls in den Korb und beißt nicht ohne Komik in die große Frucht. Kaugeräusche, das ist schon Musik, die langsam in einen A-capella-Gesang mündet, in ein Zigeunerlied über Tratschweiber, die Apfel kauend auf einem Leiterwagen sitzen.
Das Klezmer & Folk Trio RADA synergica (Rada, russisch: Freude, beliebter Frauenname in Russland und bei den Zigeunern) wird seinem Namen gerecht und verströmt in seinem Auftritt große Natürlichkeit und Lebensfreude. Hier haben sich drei Musikerinnen in einer gemeinsamen Leidenschaft gefunden. Das Repertoire reicht von herzzerreißenden Melodien, über heiter-ironische jiddische Lieder hin zu tänzerischen Rhythmen der Zigeuner und aus Osteuropa. Immer wieder verblüffend, wie in den Melodien, die fast durchweg in Moll geschrieben sind, eine große Freude mitschwingt. Ist man doch in westlichen Kreisen eher gewohnt, Moll mit Trauer zu verbinden. Doch diese Lebensfreude schillert in leuchtenden Farben auf einem dunklen Hintergrund, eine Freude, die immer auch das Leid kennt, die Armut, Flucht und Verfolgung.
Reizvoll ist der Wechsel von instrumentalen und gesungenen Stücken. Sylke Jilani am Klavier übernimmt beim mehrstimmigen Gesang eher die hohen Töne. Stefanie Koch lässt abwechselnd die Klarinette aufheulen und ihre herbe, ausdrucksstarke Stimme erklingen. Die Cellistin Claudia Herold überzeugt neben ihrem dunklen Timbre durch komödiantisches Schauspieltalent. Ein Ansatz wäre, um dieses in sich stimmige Programm noch zu verbessern, die stimmlichen Charakterunterschiede noch mehr herauszuarbeiten.
Ein weiteres Merkmal dieses Trios ist der Wechsel von kleinen Szenen und Musikstücken. Auch hier bieten die drei Frauen ausbaufähiges Potential. Kleine Alltagszenen, wie die Apfelesserszene zum Einstieg, illustrieren die Musikstücke und lockern zugleich die Programmabfolge auf. Zumal die Lieder genügend Stoff bieten, um damit zu spielen. Da begegnet uns in einem jiddischen Lied ein heiratsunwilliger junger Mann, er sich mit skurrilen Argumenten jedes Jahr vor der Heirat drückt: Er habe noch nicht auf jedem Berg einen Weinstock gepflanzt, er habe in der Wüste noch kein Wasser gefunden. Und überhaupt, er habe noch nicht genug geliebt.
Ein andres Lied handelt von der Armut und kehrt im Refrain immer wieder zu einem Bild zurück: Eine Ziege muss das Stroh vom Dach fressen. Die Gefahren des Alkohols werden genauso besungen wie die Grausamkeiten des Zaren Nicolai Anfang des 20. Jahrhunderts. Doch auch die Szene nach der Pause, die drei Musikerinnen treten mit Federboas bewaffnet als Lebedamen auf, kann in ihrem Ablauf und ihren choreographischen Elementen noch klarer einstudiert werden. Viele, gute Ideen, die geradezu danach schreien, dass das Trio an seinem Programm weiterfeilt und viel Auftrittserfahrung sammelt.
Vor allem im zweiten Teil des Programms hat man manchmal das Gefühl, eher einer Probe beizuwohnen. Allzu improvisiert wirken die schauspielerischen Einfälle. Auch in der Musik klappern teilweise die Einsätze, und man wünscht sich bei allem natürlichen, ungekünstelten Charme, den dieses Trio auf die Bühne bringt, etwas mehr musikalische Exaktheit und Dynamik. Vielleicht wäre es bei den nächsten Auftritten von Vorteil, mit Mikrophonen zu arbeiten, um das akustische Spektrum der Möglichkeiten noch mehr auszuloten. Also ausprobieren und weitermachen! Mit viel RADA!
(Babette Dieterich)
Nächster Auftrittstermin im Frosch Café: Mittwoch, 14. Mai 2003, 20 Uhr
Karten zu 8,- Euro unter: 0341 / 2251363
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