Nicht nachdenken, sondern nachtanzen!

Cheb Balowski, die Rai-Ska-Reggae-Patxanka-Rumba-Flamenco-Balkan-Raggamuffin-Fusion aus Spanien

Diese Stadt scheint ein kreatives Pflaster zu sein für Künstler aus allen Richtungen. An keinem anderen Ort hätte Antoni Gaudí seine eigenwilligen architektonischen Jugendstilträume ähnlich eindrucksvoll verwirklichen können. Denn Barcelona hat ein spezielles Flair, eine Mischung aus mediterranem Freigeist und fröhlicher Bestimmtheit, die ungewöhnliche Projekte begünstigt. Auch in der Musik. Musica Bastarda nennt sich der Mix, der dort seit Anfang der 90er Jahre entsteht. Er zeigt wie jeder Bastard, jede Promenadenmischung, jeder bunte Hund eine ausgelassene Frische und große Resistenz gegen die Egalisierung des Mainstream-Musikmarktes.

Rai-Ska-Reggae-Patxanka-Rumba-Flamenco-Balkan-Raggamuffin-Fusion, so kündigt die naTo die heutige 11köpfige (!) Band Cheb Balowski an, und führt weiter aus: Cheb Balowski ist keine Rai-Band, wie der Name vielleicht vermuten lässt…zwar ist „Cheb“ ein Spitzname für Rai-Sänger aus dem Norden Afrikas, der auch so etwas wie Junior bezeichnen soll, jedoch soll der Name – in Verbindung mit “ Balowski“ – den interkulturellen Charakter dieser Band unterstreichen, ist „Balowski“ doch der Name einer etwas schizophrenen im London der 80er Jahre lebenden polnischen TV-Familie aus der Serie „The Young Ones“ . „Balowski“ ist auf polnisch das Adjektiv zum Verb „balovac“ , was übersetzt soviel bedeutet wie “ to enjoy while dancing“.

Somit hätten wir alles in einem Topf, was Ethnoherzen höher schlagen lässt. Das umreißt dann auch schon die Trümpfe und die Nachteile dieser Formation. Der absolute Trumpf: Cheb Balowski macht tanzbare Musik, macht Stimmung, dass der Saal der naTo schon nach den ersten Stücken kocht. Yacine, der Sänger der Chebs, ist ein Energiebündel, eine kompakte, hüpfende Sprungfeder unter permanenter Spannung. Seine Backgroundsängerin Isa, der Inbegriff der feurigen Spanierin, singt nicht nur, sie tanzt, und auch da ist Stilmix angesagt: Flamenco und Bauchtanz vereinigen sich im gemeinsamen Hüftschwung. Die arabischen Wurzeln der Band, der Leadsänger Yacine ist übrigens arabischer Herkunft, sind nicht zu überhören und zu übersehen. Gesungen wird auf arabisch, spanisch, katalanisch und gelegentlich in mehreren Sprachen gleichzeitig.

Doch auf die Verständlichkeit der Sprachen scheint es der Band nicht anzukommen. Vielleicht waren die Mikrophone auch nicht optimal eingestellt, der Text vernuschelte jedenfalls häufig zu einem Klangbrei oder war fast nicht zu hören. Insgesamt mangelte es der Band an Durchsichtigkeit. Schade für die verschiedenen Solisten, Geige, Trompete, Saxophon, Akkordeon, viele Klangfarben, die im Melting pot des Ethnomixes etwas untergingen. Das Mixen findet auch innerhalb der Stücke statt. Bei Cheb Balowski gibt es nicht mal eben ein Ska-Stück und dann ein Rai-Lied, sondern alles in einem, so dass es nie langweilig wird und immer spannend bleibt. Aber eben auch Gefahr läuft, beliebig zu werden.

Dennoch, Musica Bastarda, die Promenadenmischung aus Barcelona, kann süchtig machen. Wer sich erst einmal einen Überblick verschaffen möchte, dem sei die Sammlung „Barcelona Zona Bastarda“ des Labels Organic Records empfohlen. Neben etablierten Bands kann man auch solche hören, die die richtige Mischung erst noch suchen. Mit dabei natürlich, und der Orientierungsphase längst entwachsen: Cheb Balowski. Die haben ihren Mix bereits gefunden: Rai-Ska-Reggae-Patxanka-Rumba-Flamenco-Balkan-Raggamuffin. Alles klar, oder? Nicht nachdenken, sondern nachtanzen!

Cheb Balowski (Spanien)

Barcelona Melting pot

naTo, 14.04.03

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