25.04.2003 Lofft
„SARCASTICUS or birth of the virus“
nach einem Motiv von Oscar Panizza
Plavo Pozoriste Theater Belgrad
Regie: Nenad ?oli?
Mit:
Ilija Ludvig
Ranko Trifkovi?
Maša Jeli?
Dejan Stojkovi?
Marko Potkonjak
Nenad ?oli?
„I’m a very great artist.“
Das Plavo Pozoriste Theater Belgrad versteht sich als Performancegruppe mit gesellschaftskritischem Anspruch. In ihrem Programm betonen sie vor allem die soziale Funktion von Theater und formulieren „sometimes it has the priority over artistic function“. Das Ästhetik und Schauspielkunst nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist leider ihrer Arbeit „Sarcasticus“ anzusehen. Die Darbietung bewegt sich allzu oft auf einem Laientheaterniveau. Das Tragen einer wilden Perücke, oder die Kombination von roten Leggins zu schwarzen Sandaletten und schwarzen Strümpfen ist zwar amüsant, jedoch nur kurzweilig. Über die in der Performance getroffene Behauptung einer der Darsteller ein „very great artist“ zu sein, muss dann nicht nur das Publikum lachen, sondern auch der Performer selbst kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Sarcasticus“ ist der Versuch einer theatralen Auseinandersetzung mit dem Thema Kommunismus. In einer fiktiven Gesprächssituation treffen Trotzki, Frida Kahlo und Stalin aufeinander. Letzterer erscheint groteskerweise in der Figur Dr. Doolittles wiedergeboren; was seinen Gesprächspartner bekannt ist, ihm selbst aber verborgen. Im Laufe ihrer Unterhaltung glauben die drei, die Institution „Familie“ als Keimzelle jeglichen Kapitalismus entlarvt zu haben und beginnen „a crazy communist ritual dance to destroy the rotten nests of family“ zu tanzen. Die Unterredung, die sie zu dieser Erkenntnis führt, wird im Verlauf der Performance noch zwei Mal wiederholt. Jedes Mal werden die Figuren brüchiger gezeichnet, sie beginnen über ihre Worte zu lachen oder vertauschen Repliken. So spricht Trotzki plötzlich die Worte Dr. Doolittles. Ihre Erkenntnis wird damit ironisiert, sie erscheint immer unplausibler und unglaubwürdiger. Später dann wird sich die Kahlo Darstellerin unter das Publikum mischen und ausgewählten Zuschauern ein „I would like to have a family so much.“ ins Ohr flüstern. Dazu reicht sie aus einer kleinen Umhängetasche Kondome. Das wirkt pathetisch und leider etwas zu pädagogisch wertvoll.
Die Figuren sind mittels einfacher Kostüme markiert. Rot bestimmt die Farbe von Trotzkis Kleidung, dazu trägt er eine Fliegerkappe, Frida Kahlo tritt im folkloristisch angehauchten Kleid auf, bewaffnet mit Armeegürtel und Armeekappe und Stalin alias Dr. Doolittle scheint – inklusive seiner Statur – geradewegs der gleichnamigen Trickfilmserie entstiegen. In einzelnen Passagen kommen zusätzlich Tiermasken zum Einsatz. Trotzki mutiert zum Kater, Frida wird zur Häsin und Stalin erscheint als Pandabär.
Das Tierische im Menschen wird weiter ausgebaut. Wichtige Requisiten, die zu verschiedensten Momenten des Stückes Verwendung finden, sind diverse Plüschaffen. Sie werden auf der Bühne verteilt. Diese sollen wohl unsere Vorfahren versinnbildlichen, die uns argwöhnisch ins Gewissen schauen, als wollten sie fragen, was ihre Nachfahren, die Menschen, aus der schönen Erde gemacht haben. Mittels einer Affenhandpuppe wird außerdem der Eingangsmonolog dargeboten. Der Affe wird zum Conférencier, der alle „Ladies und Gentlemen“ zur Vorstellung einlädt. Das damit eröffnete Zirkusmotiv wird auch im Bühnenbild wieder aufgenommen. Dort ist in rotglänzenden Zirkuslettern der Titel der Performance zu lesen.
Herauszuheben an „Sarcasticus“ ist vor allem das Arbeiten der Gruppe mit musikalischen Mitteln. Die Darsteller tanzen nicht nur, sondern singen auch. Gesungen wird überhaupt was das Zeug hält. Das Repertoire reicht von der „Internationale“ bis zu „We are the champions“ von Queen. Zwei der insgesamt sechs Performer spielen dazu Instrumente. Neben Blockflöte und Akkordeon kommen Trompete, Schlagzeug und E-Gitarre zum Einsatz. Zusätzlich werden einzelne Passagen chorisch gesprochen oder der Text wird rhythmisiert dargeboten. Und das gelingt Ihnen richtig gut, ist spannend und interessant anzusehen und zu hören. Insgesamt ist es der Umgang der Gruppe mit Sprache, einschließlich der Mischung von Englisch und Jugoslawisch, der neben der Musik im Gedächtnis bleibt.
(Britta Paasche)
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