Mit sich im Doppelpack

Das gibts nur zweimal: Johannes Kirchberg und seine Band spielen im Kabarett Leipziger Pfeffermühle

Das Klo ist ein Klo, ist ein Sofa. Johannes Kirchberg ist melancholischer Chansonsänger, ist wandlungsfähiger Schauspieler, ist von Hundescheiße verfolgter Jogger, ist Kautionseintreiber eines Miethais, ist schizophrener Patient eines Psychiaters. Das Klo steht auf der Bühne als einziges Requisit. Johannes Kirchberg steht auch auf der Bühne, doch meist nur, wenn er singt, wenn die Musik und die Stimmung im Vordergrund stehen. Ansonsten turnt er auf dem Klo herum, liegt wie ein Brett auf der Klosettschüssel und macht es sich in der Therapeutencoach bequem. „Mich gibt’s nur zweimal“, der Titel des heutigen Abends ist also fast untertrieben. So vielgesichtig hat man Johannes Kirchberg bisher noch nicht erleben können.

Für viel Klangvolumen und Drive sorgt die Band: Musiker, die Johannes Kirchberg im „Chocolate“, einem Lokal in der Gottschedstraße, gefunden hat. Dort spielen der Bassist Stefan Locher, der Gitarrist Andreas Moisa und der Schlagzeuger Per Winkler als die Hausband „Maximalian Syndicate“. Ergänzt von dem Pianisten Enrico Wirth, mit dem Kirchberg seit 1999 gemeinsam auftritt, und der auch als Komponist für viele der Songs verantwortlich ist, bilden sie ein umwerfendes Team. Und nicht zu vergessen, der Mann, der Kirchberg die Texte auf den Leib schneidert, dass sie mal wie ein Maßanzug, mal wie eine Zwangsjacke passen: Tom Reichel.

Der Mann mit seinen diversen Leiden und Komplexen ist der rote Faden des Abends. In den meisten Zwischentexten spricht Kirchberg einen imaginären Therapeuten an, der mit ihm diverse Verhaltensspielchen macht. Das Klo als Couch, als Auto, als Flugzeug, als Mundspülung sorgt immer wieder für Überraschung. Kirchberg rechtfertigt seinen Job als Kautionseintreiber, der fingierte Mietmängel entdeckt. Die Generationsfrage wird ebenso gesteift wie die Panik vor starken GI’s und vollbärtigen Moslems. Einfach stark: Der Kontrast zwischen melancholischen Chansons und turbulenten Zwischenszenen. „Sie wischt Staub, als ob Staub ihr Leben wär“ heißt es in dem Lied „Morgen kommen die Kinder“, das eine Mutter in ihrer emsigen Vorfreude auf dieses Ereignis schildert. Und schon folgt der Bruch mit Mutterkomplex und ödipaler Störung.

Und immer wieder: Hut ab vor dem Texter Tom Reichel. Ein „General im Frieden“ macht im gleichnamigen Song eine Hure zu seinem Schlachtfeld. Das Lied „Caféhaus“ trauert einer liebgewonnen (N)ostalgie nach, die durch Chrom und Spiegelfronten ersetzt wurde. Doch auch Kirchberg selbst wird immer wieder als Texter und Komponist tätig, so im ironischen Lied „Gutmensch“ oder in dem vor Melancholie triefenden, und dadurch zur Karikatur seiner selbst werdenden Chanson „Jetzt einen Freund haben“.

Konsequent wird der rote Faden zu Ende gesponnen, die Therapie des geplagten Mannes findet ihr Ende, als das Klo wieder ein Klo ist und der Patient, der seinen Therapeuten mittlerweile Harry nennt, endlich den Mut findet, seinem alten Freund B. wieder unter die Augen zu treten. Oder ist B. der Freund des Psychiaters? Ist der Patient sich selbst der Therapeut gewesen? Führte er am Ende nur Selbstgespräche? Johannes Kirchberg „gibt’s nur zweimal“. Na, mindestens. Und außerdem – ganz neu! – auf seiner vierten CD. „Nicht zu fassen“ heißt die Scheibe.

Johannes Kirchberg & Band (ChansonTheater)
„Mich gibt’s nur zweimal“

27.04.03, Kabarett Leipziger Pfeffermühle

weitere Informationen unter:

www.dermenschistgut.de

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