Buchempfehlung: „Stein-Garten”, APHAIA VERLAG, Berlin 2002 (Grit Kalies)

Buchempfehlung: ?Stein-Garten?, APHAIA VERLAG, Berlin 2002

Roswitha Klaushofer: Gedichte
Xago: Zeichnungen
Johannes Kotschy: Komposition


Steine und Worte

In dem schmalen stilvollen Band befinden sich sechsundvierzig Gedichte der österreichischen Autorin Roswitha Klaushofer, drei Zeichnungen des Malers, Graphikers und Texters Xago und zwei Kompositionen des freischaffenden Komponisten Johannes Kotschy.

Optisch zart, fast minimalistisch muten die interpunktionslosen Gedichte der 1954 in Salzburg geborenen Roswitha Klaushofer an. Endet das eröffnende Gedicht ?Heimat? mit den Zeilen: ?Du läßt dich ein/ auf das Wort?, so läßt sich dies sicherlich auch als peotologisches Credo verstehen. Nicht nur auf die Sprache, den Satz, das Gefüge läßt sich die Autorin ein, nicht nur darin behauptet sie Heimat, sondern schon im Einzelnen, im Wort.

Die Zeilen bestehen oft aus zwei oder drei Worten oder auch aus einem, wodurch der Anspruch des Einzelnen gehoben wird. Das Wort muß stimmen. Glücklicherweise stimmt es. Klaushofer setzt und seziert Sätze mit Gefühl, und die optische Zartheit der Gebilde findet sich im Inhalt wieder. Dabei bilden Xagos eigenwillige Zeichnungen eine wunderbare Entsprechung. Ähnlich minimalistisch und feinstrichig genügen sie sich in Stilisierungen, Abstraktionen und Andeutungen. Frauenbrüste, Fisch- und Vogelköpfe, tierisch belebte Formen, seltsame Gestalten und Titel, wie ?Orte, zerzaust, wenn ich sie berühre?, fordern heraus, viel zu sehen.

?Manche/ verscharren ihre Träume/ unter der Erde/ zum Schutz legen sie/ Steine darauf/…?
schreibt Klaushofer in ihrem Gedicht ?Steingarten?. Dem aufmerksamen Leser entgeht nicht der Gang innerhalb des Bandes. Zu Beginn werden Geburt, Heimat und Mutter (?deine Augen/ halten mich fest/ wenn ich gehe.?) thematisiert. Augenblicke und Orte blitzen auf, Empfindungen der Autorin. Interessanter und paradoxer Weise vertonte Johannes Kotschy gerade die Gedichte ?Stimmlos? und ?Nachtgesicht? (Kompositionen für Stimme und zwei Celli). – Klaushofers Singstimme ist eine leise, eine feine Stimme.

Die Steinmetaphorik zieht sich durch das Buch. Nach der Epiphanie: ?um zu erinnern/ verschließt der Stein/ das Verschwinden? folgen titellose Gedichte. Die langsame Auflösung, das Verschwinden von Bezeichnungen. ?Es wird hell sein/ in der Nacht/ wenn wir/ unsere Angst/ ins Feuer legen? ist ein Gedicht, das durch Xagos Zeichnung ?Zwei Silben haben die Angst? bereits vorbereitet ist. Ein anderes (?Die andere Seite/ mit dem schwarz/ …?) scheint den weggelassenen Titel Tod zu tragen.

?Unstet im Stillen/ besingen wir/ den Stein.? endet der Band. Roger Caillois, Betrachter der Steine und des dichterischen Prozesses, hat geschrieben: ?Comme les anciens Chinois, je suis porté ? condidérer chaque pierre comme un monde.? Wenn schon ein Stein die Welt sein kann, wie erst ein Steingarten.

(Grit Kalies)

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