Kampf dem Einheitsbrei Ostblock

Die Ausstellung: „Introducing Sites/ Kulturelle Territorien“ stellt die Frage nach der Wahrnehmung

Fotographien, blinkende Jeans, Puma-, Abba- und Bruce Lee-T-Shirts, Videoclips in dunklen Räumen, Videoclips in Durchgangsräumen, Videoclips in lichtdurchfluteten Räumen, Videoclips in Räumen mit Gitterboden. Touristenrundfahrten, die Arbeit am Bahnhof, Talkshows mit Künstlern und noch so vieles mehr…

…kann zur Zeit in der Galerie für Zeitgenössische Kunst bewundert werden. Unter dem Titel „Kulturelle Territorien 3 und 4“ wird alles auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Ein zweijähriges Projekt – von der Kulturstiftung des Bundes gefördert – das die Frage nach Wahrnehmung von Territorien stellt. Das Gebiet hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang soll dabei in seiner ganzen Differenziertheit dargestellt werden. Kampf dem Einheitsbrei „Ostblock“. Verschiedene Künstler und Kuratoren wehren sich gegen Stereotypen, mit denen die Länder konfrontiert sind.

Eine ganze Menge Stoff. Eindeutig zu viel um „mal eben durchzulaufen und anzugucken“. Pavel Braila zeigt in seinem Werk Shoes for Europe die Arbeit an einem moldawischen Bahnhof.

Doch es ist nicht so einfach, überhaupt zu registrieren, um was es geht. Etwa der Raum, der von einer großen Wand mit Videoprojektion dominiert wird: Das Thema lässt sich nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennen. Lärm, Schneetreiben, Nacht, Menschen, Maschinen, Eisenbahnwaggons, Passagiere in Schlafwagen… Glaubt man, nach ein paar Minuten den Sinn des Ganzen erkannt zu haben und beschließt, sich dem nächsten Kunstobjekt zuzuwenden, ist es fraglich, ob man wirklich mitbekommen hat, um was es geht. Ist man durch einen kurzen Blick tatsächlich eingetaucht in die Welt, die da vorgestellt wird? Hat man sich überhaupt damit auseinandergesetzt? Hat man die Trostlosigkeit länger als eine Sekunde verspürt? Den Gesichtsausdruck der Menschen wahrgenommen? Die sich ewig hinziehende Zeit? Wohl kaum…

Außerdem sind im Erdgeschoss Oliver Musoviks Fotoserien „neighbours“ und „neighbours 2“ zu finden. Dort hat der Künstler seine unmittelbare Umgebung in einem Vorort von Skopje abgebildet. Die Bilder sind mit kleinen Geschichten versehen (auch in deutscher Übersetzung, was mir persönlich sehr gut gefallen hat). Teilweise fremd, aber dennoch vertraut.

Zusammengefasst werden die Werke im Erdgeschoss durch den Untertitel „Introducing sites 1“. (Laut Informationsbroschüre geht dieses Teilprojekt den „unterschiedlichen Vorstellungen und Definitionen von ‚Orten‘ nach und untersucht die mentalen und medialen Bilder, die mit bestimmten ?Orten‘ verbunden sind und eine identitätsstiftende Funktion innehaben“ Aber man darf ruhig, denke ich, auch auf eigene Faust erschließen, was einem die Objekte sagen.)

Im ersten Stock kommt die Fortsetzung: „Introducing Sites 2“. (Hier schreibt der Prospekt: „Verschiedene Auffassungen und Definitionen von Territorialität [sollen] kritisch hinterfragt und beleuchtet werden.“ Was ist eigentlich dabei bitte der Unterschied zu „Introducing Sites 1“?)

Begrüßt wird durch eine Art Flughafenanzeige. Zu sehen sind die unterschiedlichen Uhrzeiten von Orten, die am Meridian liegen. Sehr interessant: die Talkshow von Suzana Milevska. Künstler werden zum Thema Fremdsein und Anpassung sowie Beeinflussung von politischer und privater Veränderung befragt.

Die Kuratoren positionieren sich zum Thema der Ausstellung an den Wänden. Zwischendrin steht ein altes Fahrrad. Ein Überbleibsel von Robert Kusmirowskis Tour Paris – Luxemburg – Leipzig und dadurch ein Sinnbild für physische, geschichtliche, politische und geographische Grenzüberschreitungen.

Doch da lässt schon langsam meine Aufnahmefähigkeit nach, schließlich treibe ich mich seit 2 1/2 Stunden hier herum. Doch wenigstens ein Fazit sei noch formuliert: Das Ganze lohnt sich auf jeden Fall. Wichtig ist nur, unbedingt viel Zeit und Durchhaltevermögen mitzubringen.

Introducing Sites/ Kulturelle Territorien

Ausstellung bis zum 9. 6. 2003, Galerie für Zeitgenössische Kunst


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