Samotári (Einzelgänger), ein Film von David Ondricek (Anja Szymanski)

Polnisches Institut, 23. 5. 2003Samotári (Einzelgänger)
Tschechien 2000, 104 min, OmeU

Regie: David Ondricek
Drehbuch: Petr Zelenka

Mit: Labina Mitevska, Dana Sedláková, Jitka Scheiderová, Saša Rašilov, Jimi Machácek,
Mikulaš Ken, Ivan Trojan Eine Tragikomödie über das Lebensgefühl der jungen Generation . Es geht um sieben Mittzwanziger bis Mittdreißiger Ende der 90er Jahre in Prag, die alle versuchen, so etwas wie eine Beziehung aufzubauen Doch ihre Anstrengungen führen zu Enttäuschung und Einsamkeit. Robert arbeitet in einem Reisebüro und arrangiert Szenen aus dem Leben tschechischer Durchschnittsfamilien für japanische Touristen. Petr versucht das Leben durch die Moderation einer Radiosendung zu verstehen, die das „wirkliche Leben“ einfängt. Vesna kam aus Mazedonien nach Prag, weil es ihrer Ansicht nach der beste Platz für eine UFO-Landung wäre, aber eigentlich liegen ihre Gründe woanders. Während Hanka von Ondej, einem angesehenen Arzt und Familienvater, verfolgt wird, trifft sie Jakub, der mit Hilfe von Marihuana eine positive Weltsicht zu entwickeln versucht, nur leidet darunter sein Gedächtnis (aus casablanca-dresden )„Should I stay or should I go?“

„I try to avoid such people, in life and on screen.“ (Ich versuche, solche Menschen zu meiden, im Leben wie auf dem Bildschirm). Abgesehen davon, dass „solche Menschen“ rührend und hilfsbedürftig, und auch liebenswert, sind, ist die Einschätzung der Charaktere von „Einzelgänger“ durchaus passend. Sie nerven nämlich. Sie sind meistens chaotisch und merkwürdig angepasst-unangepasst.

Hanka kann wahrscheinlich überhaupt nicht lachen. Ernsthaft und bemüht stolpert sie durchs Leben (durch den Film) und man versteht nicht, warum sie vom geachteten Arzt Ondrej so dermaßen obsessiv verfolgt wird. Dieser entwickelt sich vom braven Familienvater zum sabbernden Kasper (Der seine Stunde kommen sieht, als Hanka sich von ihrem eher melancholischen Freund Petr trennt. Warum? Keine Ahnung, sie passen wohl nicht zusammen.), bis er von seiner Frau geduldig (Alles wird gut.) und mit einer (blöden) Theorie zu Hause wieder empfangen wird. Petr als Radio-DJ indessen quatscht sich seinen Liebeskummer in Form von philosophischen Betrachtungen von der Seele in den Äther. Dafür wird er denn auch irgendwann gefeuert. Dann gibt es noch Vesna, die den obercoolen, gelangweilten, latino-modernen Robert mit den vielen Weibern kennenlernt, und sich tatsächlich Hoffnungen macht. Da hat sie aber Pech gehabt. Denn er findet die traurigen Dinge im Leben am interessantesten. Ach, und Jakub ist immer bekifft, dafür aber sanft und hilfsbereit. Nachdem er sich mit Hanka eingelassen hat, erinnert ihn ein Freund daran, dass er eigentlich schon eine Freundin hat, die nur grad nicht da ist. Ob er schizo sei, oder was, fragt sich Jakub leicht verwirrt, und, Tschuldigung Hanka, aber er glaube, dass er der anderen versprochen habe, immer bei ihr zu bleiben. Na denn …

In Tschechien haben seit dem Erfolg von Jan Sveráks „Kolja“ 1996 eine ganze Reihe junger Regisseure so etwas wie eine zweite „neue Welle“ begründet. Auch die internationale Anerkennung blieb dieser neuen tschechischen Welle nicht versagt: „kolja“ erhielt 1997 den Oscar für den besten ausländischen Film und Jan Hrebejks Kriegskomödie „Musime si pomahat“ (Wir müssen zusammenhalten) wurde 2002 nominiert.

Einige der tschechischen Filmemacher sind dabei ganz nah am Puls der Zeit, eben wie David Ondricek oder Petr Zelenka. Mit skurrilen Komödien porträtieren sie die heutige Jugend zwischen Buddhismus, Hedonismus und Anarchie. Das in dieser Art bisher gelungenste Werk „Samotári“ (auch“Rumhängen“) bündelt das Lebensgefühl einer ganzen Generation anhand eines Freundeskreises im heutigen Prag. Der Film wurde lose inspiriert durch den amerikanischen Streifen „Singles“ (Cameron Crowe, 1992), welcher sich mit dem Liebesleben junger Leute in Seattle in den frühen Neunzigern beschäftigte. Ondriceks Behandlung der komplexen filmischen Strukturen jedoch hebt „Einzelgänger“ in den Rang von Meisterwerken dieses Sujets wie Robert Altmans „Short Cuts“ (1993).
Drehbuchautor Zelenka und Regisseur Ondricek gehen mit der eigenen Sprache und Kultur angenehm ironisch um. Der Zuschauer erlebt den bekannten „Westen“ (mit all seinen Übertreibungen) im östlichen Prag und findet das meistens komisch. Sein anhaltendes Kichern wird manchmal von ein paar ernsthafteren Tönen unterbrochen, etwa wenn Roberts Langmut durch den Tod der Mutter keine Nahrung mehr erhält oder wenn Hanka und Petr sich letztendlich dennoch wiederfinden. Ansonsten aber geht es um Alles und Nichts. Um das, was man tun könnte, wenn man nur wollte, wenn man sich entscheiden könnte, wenn man vielleicht freier wäre oder um das, was man nicht tun würde, wenn die Umstände es nur erlauben würden. Oder wie es wäre, nichts zu tun, oder was zu suchen. Wie es wäre, was zu finden. Na ja, und um die Gewissheit, so oder so wird es schon irgendwie gehen.(Anja Szymanski)

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