Zwei Opern im Rahmen der Händel-Festspiele 2003: Teseo und Imeneo (Matthias Wießner)

Zwei Opern im Rahmen der Händel-Festspiele 2003: Teseo und Imeneo.

Bad Lauchstädt
Georg Friedrich Händel: Teseo
Premiere : Samstag, 7. Juni 2003

Besetzung:
Egeo, König von Athen: Johnny Maldonado (Altus)
Medea, seine Verlobte: Maria Riccarda Wesseling (Mezzosopran)
Teseo: Jörg Waschinski (Sopran)
Agilea, seine Geliebte: Sharon Rostorf-Zamir (Sopran)
Arcane, Vasall des Königs: Artur Stefanowicz (Altus)
Clizia, ihre Begleiterin: Miriam Meyer (Sopran)

Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Regie: Axel Köhler
Ausstattung: Stephan Dietrich



Opernhaus Halle
Georg Friedrich Händel: Imeneo
Premiere: Freitag, 6. Juni 2003

Besetzung:
Imeneo, ein junger griechischer General: Otto Katzameier
Argenio, ein begüterter Athener: Gregory Reinhart
Rosmene, dessen Tochter: Alexandra Coku
Clomiri, dessen Tochter: Martina Rüping
Tirinto, Rosmenes Verlobter: Ulrike Schneider

Musikalische Leitung: Uwe Grodd
Inszenierung: Michael McCaffery
Ausstattung: Frank Philipp Schlößmann
Choreinstudierung: Helmut E. Sonne


Erfreuliche Händel-Opern in Bad Lauchstädt und in Halle

Zwei Opern Georg Friedrich Händels, die in etwa den Beginn und das Ende seiner Londoner Beschäftigung mit diesem Genre ausmachen, stehen im Mittelpunkt der 52. Händelfestspiele in der Saalestadt. In einer Gemeinschaftsarbeit der Händel-Festspiele Halle, des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt, der Festwochen Hannover Herrenhausen und des Festivals Bayreuther Barock wurde ?Teseo?, Händels zweite Londoner Oper (nach dem großen Erfolg des ?Rinaldo?) und am Opernhaus Halle, bereits zum zweiten Mal (Erstinszenierung 1960), Händels vorletzte Oper ?Imeneo? auf die Bühne gebracht.

Unter dem Motte „Les go?ts réünis“ – „Der vermischte Geschmack“ bietet der Jahrgang 2003 der Händel-Festspiele insgesamt 42 Veranstaltungen. Sind die Verbindungen Händels zu Italien für jeden offensichtlich, versucht man diesmal insbesondere dem französischen Einfluß auf die Musik zu Händels Zeiten nachzuspüren. Neben der Musik Georg Friedrich Händels finden sich deshalb auch Kompositionen vieler seiner Zeitgenossen. Denn auch in den italienischen Opern Händels ist französischer Einfluß nachzuweisen.

Ein Beispiel hierfür bietet ?Teseo?. Durch die bemerkenswert originalgetreue Bearbeitung von ?Thésée“ – einer französischen Tragédie lyrique, die Phillippe Quinault 1647 für Jean Baptiste Lully nach einer Vorlage von Racine verfaßt hatte – schuf der Italiener Niccolo Haym für Händel das Libretto. Er übernahm dabei auch die fünfaktige Form ? einmalig für eine Oper Händels. Auch die Musik zu dieser originellen Textvorlage ist vom französischen Einfluß, z.B. in der Orchestrierung gezeichnet. Daneben besitzt die Oper eine für Händel ungewohnte Dramatik, die vom Regisseur Axel Köhler gut umgesetzt wird. Inszenierung, Kostüme und Bühnenbild belassen die Handlung um den tapferen Teseo und die rachsüchtige Medea weitgehend im Theben des antiken Griechenland. Etwas düster mutet jedoch die mehrheitlich in Kupfer und Schwarz gehaltene Bühnenausstattung an diesem sonnigen Nachmittag an. Stellenweise scheint es, als ob sich die Protagonisten in einer Großplastik von Richard Serra bewegen.

Einen vorzüglichen, geschlossenen Eindruck hinterließ das hochkarätige Solistenensemble, das zusammen mit der virtuos und erfrischend musizierenden Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner die Premierenbesucher trotz lähmender Hitze in Begeisterung zu versetzen vermochte. 1984 von Wolfgang Katschner und Hans-Werner Apel gegründet, arbeitet die Lautten Compagney Berlin in ihrer ursprünglichen Form als Lauten-Duo, aber auch in verschiedenen instrumentalen Besetzungen bis hin zum barocken Opernorchester mit historischen Instrumenten und Nachbauten historischer Instrumente.

Händels ?Teseo“ wurde an jenem Samstag Nachmittag im kleinen Bad Lauchstädt, ebenso wie zur Uraufführung 1713 am Londoner Queen’s Theatre, ein grandioser Erfolg.

***

Kam die kleine Bad Lauchstädter Bühne bei der Dramatik des „Teseo“ stellenweise sichtlich an ihre Grenzen, hätte man sich die Oper „Imeneo“ sehr gut dort vorstellen können. Diese fast nie gespielte vorletzte Oper Händels hatte am Abend vorher im Opernhaus Halle Premiere und ist eher ein subtiles Kammerspiel ohne große Kriegs- oder Staatshandlungen. Die Szenerie, ebenso wie Teseo im alten Griechenland spielend, wird im Halle des 18. Jahrhunderts angesiedelt und ist gut überschaubar. Nicht von jener Kompliziertheit wie so viele Libretti der Barockzeit. Rosmene, vom jungen General Imeneo aus der Gefangenschaft befreit, muß sich zwischen ihm und Tirinto, dem sie eigentlich versprochen, entscheiden. Letztlich entscheidet sie sich für Imeneo und läßt damit die Vernunft siegen. Regisseur Michael McCaffery bringt diese 60. Händel-Inszenierung, der neu edierten Fassung der Hallischen Händel-Ausgabe (Bärenreiterverlag) folgend, am Halleschen Opernhaus mit sehr viel Freude an feinsinniger und witziger Gebärdensprache auf die Bühne und vermeidet jegliches Rampensingen. Er zeichnet die Personen glaubhaft und individuell. Zur Seite steht ihm dabei ein stimmlich sehr gut agierendes Vokalquartett.

Die Bühnenausstattung ist auf weniges reduziert. Die Oper spielt in einem pastellfarbenen, mit einer exotischen Pflanzentapete verzierten Raum, mit wenigen Stühlen darin. Das verstärkt den Eindruck, als ob man es bereits mit einem frühen bürgerlichen Kammerspiel zu tun hätte, Stücke von Lessing und Schiller schwirren einem assoziativ im Kopf umher.

Anders als bei Teseo, wo alle Rollen mit den Stimmlagen Mezzosopran, Sopran und Altus besetzt sind, gibt es bei Imeneo gleich zwei tiefe Männerstimmen zu hören. Der Titelheld Imeneo mit seinem Bass-Bariton, zumal in der Darstellung durch den stimmgewaltigen und agilen Otto Katzameier, erinnert dabei bereits ein wenig an den einige Jahrzehnte später folgenden Don Giovanni Mozarts. Das Händel-Festspielorchester unter Leitung von Uwe Grodd spielte weitgehend lyrisch und feinfühlig, mitunter aber auch energisch und forsch.

(Matthias Wießner)

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