Was der Beat zu bieten hat

All You Need Is Beat – A Tribute To The Beatles in der Musikhochschule

Oder die 5 Gebote beim Covern von Klassikern am Beispiel der Beatles1. Gebot: Man wähle einen günstigen Zeitpunkt für die Präsentation seiner Cover-Versionen.
Dies ist den All You Need Is Beat – Schaffenden der Hochschule für Musik und Theater bestens gelungen: In Zeiten, in denen Jungrocker sich auf Musikfestivals in T-Shirts mit Aufschriften wie Sick of it all oder The radio still sucks präsentieren, schadet es nicht, sich auf Altbewährtes zu besinnen, zumal sich dies auch kommerziell durchaus bewährt hat (man denke an die in der letzten Zeit erschienenen und sofort zu Bestsellern gewordenen „Best of“ – Alben von zum Beispiel Elvis Presley, den Beatles und den Rolling Stones). „Superstar“ Daniel Küblböck begeistert unzählige Teenies mit seinem Shakin‘-Stevens-Verschnitt „You drive me crazy“, und am 20. Juni diesen Jahres gab es, parallel zur Premiere von All You Need Is Beat, die Rolling Stones auf der Leipziger Festwiese zu bestaunen. Keine schlechte Gelegenheit also, um die Beat- und Beatles-Ära zu reanimieren.2. Gebot: Sind in einem abendfüllenden Programm mehrere Lieder miteinander zu verknüpfen, so achte man darauf, dass keine allzu haarsträubende oder langweilige Story als „Bindemittel“ bemüht wird.
Auch in diesem Punkt ist den Hochschülern für die gelungene Umsetzung zu danken: Eine Rahmenhandlung für die Präsentation der 20 Songs wird gar nicht erst konstruiert, und man kann auch gut auf darauf verzichten. Stattdessen kommen „Fans“ zu Wort: Zwischen den Liedern werden sie von Spots aus dem Bühnendunkel herausgehoben und sagen hübsche Sätze wie „George, schickst du mir bitte etwas von dir? Vielleicht eine Zahnbürstenborste…“ oder „Lieber Ringo, ich habe eine Nase wie du – aber ich bin ein Mädchen! Was soll ich tun?“ Das Publikum ist begeistert von den Stereotypen, die vom Mauerblümchen bis zur ruchlosen Männervernascherin und dem frustrierten Jüngling, der von seiner Freundin zugunsten der Beatles vernachlässigt wird, das ganze Fanspektrum abdecken – eine Handlung wird somit überflüssig.3. Gebot: Beim Covern sehr bekannter Melodien ist zu berücksichtigen, dass eine allzu originalferne Version des sogenannten Klassikers so manchen Hörer enttäuschen könnte.
Wenn „Help“ zwar sehr wütend und sehr verzweifelt und sehr energisch dargeboten wird, aber ohne den auf der großen Leinwand über der Bühne eingeblendeten Songtitel in den ersten 30 Sekunden der Darbietung gar nicht als „Help“ identifizierbar wäre, ist das schade. Die Instrumental-Version von „Norwegian Wood“ ist zwar ganz okay, aber mehr auch nicht – sobald der Zuschauer sich bei der“ aktuellen Darbietung schon fragt, was das nächste Lied sein könnte, stimmt irgendetwas nicht. Und schließlich „A hard day’s night“: Immer, wenn man gerade, begeistert vom Rock’nRoll-Feeling der 1960er Jahre, mitzuwippen beginnt, wird man von einem musikalisch ausgezeichneten, aber hier deplazierten Jazz-Zwischenteil „gestört“. Es gibt Schlimmeres, aber dem Motto All You Need Is Beat sei hinzugefügt, dass nicht jeder Beat immer alles bietet.4. Gebot: Wenn man nicht will, dass die Zuhörer doch lieber auf Original-CDs oder 1:1-Cover-Bands ausweichen, sollte man ihnen etwas Neues, Außergewöhnliches offerieren.
Und das ist eine besondere Stärke des All You Need Is Beat ? Tributes: Kein Song, der nicht mindestens eine Überraschung bereithält; ob Kostümierung, Text, stilistische Variationen oder schauspielerische Einlagen – der Kreativität wurden keine Grenzen gesetzt. Bei „Yellow Submarine“ stürmt eine Horde „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ – gröhlender Fußballfans die Bühne, im kurz darauf zu Gehör gebrachten Medley werden die sehr gelungen dämlich dargestellten Fab Four – in grauen Anzügen, dauergrinsend und mit den Pilzköpfen unkoordiniert wackelnd – mit BHs beworfen, und der Hardcore-Schlager „Mr. Paul McCartney (weißt du, wie isch leide?)“ sollte auch den letzten Finsterling amüsieren. Das absolute Highlight des Programms dürfte jedoch „Let it be“ sein: Von vier Herren in Satin-Anzügen als a capella – Version begonnen, wandelt sich der Song jedoch plötzlich zur „Kifferhymne“: Die Sänger packen überdimensionale Joints aus, palmenbedruckte Jogginghosen kommen zum Vorschein, Reggae-Rhythmen erklingen und mit absolut hinreißendem Shaggy-Akzent und „No woman, no cry“ – Einsprengseln wird „Let it be“ zu Ende gebracht. Herrlich!5. Gebot: Den bei sehr bekannten Vorlagen unvermeidlichen musikalischen Vergleich des Covers mit dem Original sollten die Musizierenden nicht scheuen müssen.
Eigentlich klar, dass die Studierenden der Hochschule für Musik und Theater Musikalität und Inszenierungsgefühl beweisen – so ist man es von ihnen gewohnt. Leider ist dem Programmblättchen nicht zu entnehmen, wer welches Lied darbietet, so dass hier nun keine Namen besonders hervorgehoben werden können (wobei zum Beispiel der Solo-Interpret von „Blackbird“ das verdient hätte); zum Glück kann an dieser Stelle allen 11 Singenden sowie der Rock-Band, der Jazz-Band und dem Streichquartett ein Kompliment gemacht werden: Das Beatles-Projekt ist definitiv gelungen, und auch der Programm-Name All You Need Is Beat wurde passend gewählt: Es regiert der Beat, denn das Herz schlägt im Takt.

All You Need Is Beat -A Tribute To The Beatles

Idee, Produktionsleitung, chorische Einstudierung: Evelyn Fischer
Musikalische Leitung: Ralf Schrabbe
Regie und Bühne: Frank Leo Schröder
21. Juni 2003 Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig

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