Sommertheater am Gohliser Schlößchen (Ian Sober)

28. 6. 2003, Sommertheater am Gohliser Schlößchen


Samiel ist Michael-Jackson-Fan

In Zeiten der Geldknappheit ist man auch beim Theater auf Sponsoren angewiesen. Doch diese mischen sich zuweilen ins Geschehen ein: Auf ihren nicht zu ignorierenden Wunsch hin soll der längst geplante „Sommernachtstraum“ da plötzlich durch einen dumpf-gutbürgerlichen „Freischütz“ ersetzt werden. Was nun zwar eine Oper ist, aber die Schauspieler werden’s schon durch Engagiertheit ausgleichen. Nur dumm, daß Opernregisseur Hans-Peter Schoppenrath (Jörg Dathe) davon als letzter erfährt…

Der nämlich „setzt auf Qualität“. Und hat genaue Vorstellungen, inszeniert „in der inhaltlichen Sprache des 19. Jahrhunderts“, nicht wie gewisse „Regieverbrecher“, die den Jägerchor im Schlachthaus oder Bordell ansiedeln. Seine Regieassistentin Giulietta (Bettina Riebesel) kann ihn überzeugen, den Job trotz Mangels an guten Stimmen anzunehmen und verbreitet Ferienlagerstimmung bei der bunten Truppe. Diese hat man – jetzt in der Realität – mit acht Schauspielstudenten besetzt, welche frisch und unverbraucht die zusammengewürfelten Typen lebendig werden lassen. Da gibt es einen schwedischen Requisiteur mit Akzent, der immer nur die Hälfte mitkriegt, und einen larmoyanten schwulen Maskenbildner, es gibt Philipp-Emanuel See, einziger gesanglich ausgebildeter, der folglich den Max darstellt, und einen ehemaligen Puppenspieler als Kaspar, der sich nie von seinem Pleiten-Pech-und-Pannen-Raben trennen will. Ferner sind da eine ehemalige Physiotherapeutin mit Hang zum Musical (spielt die Agathe), eine Tänzerin, die sich an den Regisseur ranschmeißt, der Darsteller des Samiel, der nie im Hintergrund bleiben will, und ein verhinderter Steptänzer, der gleich doppelt in derselben Szene auftreten muß. Viele Möglichkeiten für running gags und eine gehörige Portion Klamauk also, wie sich’s für Sommertheater gehört.

Die Proben der Freischütz-Schlüsselszenen sind tatsächlich sehr komisch, vorausgesetzt natürlich, man neigt eher zum Humor von „Nackte Kanone“ als zu dem von „Monsieur Hulot“. Der Text von Regisseur Volker Insel und Dramaturg Skadi Riemer ist pointiert und spritzig. Freilich gibt es eine Art Bruch gegen Ende des Stücks (aber wer wird hier solche formalen Kriterien anlegen…), wenn alle geprobten Szenen noch einmal hintereinander und ganz anders gezeigt werden. Und das geht so:

Die Schauspieler haben beschlossen, den Regisseur zu ignorieren und die an und für sich akzeptable Handlung mit einer zeitgemäßeren Musik zu unterlegen. Zur Unterstützung von musikalischem Faktotum Klaus (Ludger Nowak) wird eine Band (Schallfeld) angeheuert, und jetzt kommt richtig Pep in die Sache:

Alles was ich konnt‘ erschauen, war des sichern Rohrs Gewinn

singt der Max, aber jetzt rockt er ab, und der ehemals schüchterne Junge geht voll aus sich raus. Irgendwie ist er dann plötzlich auf dem „freeway back to you“ und solchen Sachen. Ännchen und Agathe warten auf Max, voll dunkler Vorahnungen. Die beiden Mädels machen einen auf lesbisch angehauchte Girly-Band und besingen

die Gefahr.

Max verabschiedet sich in obercooler Macho-Manier von Agathe, und dann kommt erstmal eine Stepeinlage. In der Wolfsschlucht hat Samiel, der schwarze Jäger (I was around when Jesus Christ had his moment of doubt), seinen großen Auftritt:

I’m bad, I’m bad, you know it,

und die Zuschauer sind so konsterniert, daß sie zu klatschen vergessen. Zwischendurch dreht sich die ahnungslose Regieassistentin entsetzt zum – wirklichen – Publikum um, denn die Probe ist öffentlich und auch der Regisseur kann nicht eingreifen. Am Ende springt der auf und grölt

Ihr verhökert unsere Ideale auf dem Spaß-Basar,

denn das mußte einfach gesagt werden, und dann endet das ganze in einem fulminanten Schlußchor und – echtem – Feuerwerk.

Wer mal so richtig Fun haben will, sollte dieses Sommertheater jedenfalls nicht verpassen.


(Ian Sober)

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