Sommertheater von Literaturstudenten (Grit Kalies)

09.07.2003, Deutsches Literaturinstitut Leipzig
Sommertheater von Literaturstudenten


Das ist die Geschichte

Da die professionellen Schauspieler mit Urlaub beschäftigt waren, lasen bis schauspielerten die Studenten, anders als angekündigt, ihre Texte selbst. Nicht zum Schaden der Veranstaltung. Die Kurzweiligkeit des Abends war zweifellos auch dem Charme einer Laiendarbietung zu verdanken: Unmittelbarkeit und Bewegung (man steht nicht immer auf der Bühne), Befangenheit, Freude am Spiel und am Witz bis hin zum unfreiwilligen Humor.

Die im Dramatik-Seminar bei Gastdozentin Dagmar Borrmann entstandenen Texte – Ausschnitte aus den Stücken ?Heul doch? von Melanie Arns, ?Zuhause? von Dorothee Brix und ?Der Gast? von Tina Kettering sowie zwei kleinere szenische Übungen von Silvia Wolkan und Hanna Lemke – offenbarten Talent zur Darstellung zwischenmenschlicher Kommunikation und eine Tendenz zur Thematisierung eben dieser in Familie bzw. persönlicher Sphäre. Einer redet dem anderen ins Wort, das Originelle der Banalität, des Alltäglichen klingt an, das Bedrückende auch, die Gewalt im Hintergrund.

Nebenbei gewährten die oft komikangereicherten Situationen ein paar Einblicke in die Textgenese und -wirkung. Wie verhalten sich Rede und Widerrede, über welche sprachlichen Mittel und Kniffe verfügt der Dramatiker, welche Szene etwa läßt sich aus dem vorgegebenen Satz: ?Mir reichts, ich gehe? entwickeln, wie läßt sich der Begriff Entstofflichung in einem Minidrama mit dem Thema: ?Ein Leben auf einer DINA4-Seite? fassen, welche suggestive Kraft entwickelt ein sowohl körperlich als auch sprachlich durch den Raum marschierender Chor.

Für den letzteren hieß es die Stühle verrücken und ein Spalier bilden. Mit den Worten ?An dir hängt die Geschichte? ließ er eine junge Frau stehen und verließ über den Hinterausgang das Institut, um gleich darauf, gerötet durch den Lauf und die frische Luft, im Vordereingang wieder zu erscheinen. Nach mehrmaliger, phänomenal schneller Umkreisung des Gebäudes und Wiederholung des Satzes ?An dir hängt die Geschichte? postierte er sich im Raum, worauf ein lautstarker Diskurs zum Thema ?Das ist die Geschichte? entbrannte.

Die witzige Idee des für den Abend geschriebenen Stücks ?Seminarwochenstunde? von Robert Rahnefeld war sicherlich zugleich Einblick in die Seminararbeit von zwei Semestern (die Suche nach der zu erzählenden Geschichte) und ein Dank an Dagmar Borrmann.

(Grit Kalies)

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