Jens-Paul Wollenberg und die Geschichte vom einsamen Selb (Bert Hähne)

Jens-Paul Wollenberg und die Geschichte vom einsamen Selb

(Aus den Akten)
„Bei dem Wollenberg handelt es sich um eine Person mit negativer Grundeinstellung zu unserer Staats- und Gesellschaftsordnung. W ist Leiter der Folkloregruppe ‚Quittlinge‘ in Quedlinburg. Bei öffentlichen Auftritten hat diese Gruppe Lieder in ihrem Repertoire, deren Inhalt sich in unterschwelliger Form gegen die Politik unseres Staates richtet. Die Texte für die Lieder der Gruppe werden fast ausschließlich durch den Wollenberg gefertigt.“
„Das Auftreten und Verhalten dieser Folkloregruppe wird wie folgt eingeschätzt: Insgesamt hinterläßt diese Gruppierung einen schmutzigen und ungepflegten Eindruck, um nicht zu sagen einen schweinehaften Eindruck.“

Die Gruppe hieß Quitilinga und wurde 1980 von den DDR-Kulturbehörden verboten. Jens-Paul Wollenberg war zu der Zeit 28 Jahre alt und ist bis heute singend und rezitierend unterwegs. Geboren wurde er 1952 in Speyer. 1955 zog seine Mutter mit ihm nach Gernrode, 1959 nach Quedlinburg. Jens-Paul erlernte und praktizierte den Beruf eines Kochs, arbeitete als Requisiteur am Theater, später als Briefträger. Seit 1988 lebt er in Leipzig.
23 informelle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit wissen einige Details mehr (wenngleich sie manches Mal irrten, wie wir am Namen der Folkloregruppe im Eingangszitat erkennen).

Wollenberg ist Dichter, Sänger, Maler und mindestens noch Genußmensch. 1976 schloß er sich der Quedlinburger Gruppe Vin rouge an, zwei Jahre darauf ist er Teil der bereits erwähnten Formation Quitilinga und schreibt eigene Lieder. 1981 gehört er der Münzenberger Gevattern-Kombo an, Verbot 1983. Ab 1986 zieht er als Solist mit verschiedenen Ensembles (die ständig ihre Namen wechseln, um die Kulturfunktionäre zu verwirren) umher. 1990 formiert er die Rock-Jazz-Folk-Band Wahdi el Ahana (arabisch für Tal der Erniedrigung). 1992 erscheint die Platte „Razzia im Paradies“, 1993 wird das Ensemble Pojechaly gegründet, Jens-Paul Wollenbergs Begleitband bis heute. 1994 kommt „Ein Wrack im Frack“ auf CD heraus, 1997 „Alptraum Arche“. Seit 1996 moderiert Jens-Paul Wollenberg die Leipziger Veranstaltungsreihe „Ostwind“, deren Initiator er ist. Die Reihe präsentiert osteuropäische Musikkultur. 1998 entsteht das Liedtheaterprojekt „Sag niemals Tango“ mit dem Funkner-Quartett und die zugehörige CD. Ebenfalls 1998 wirkt Jens-Paul Wollenberg in der Leipziger Folksessionband mit, zwei CDs („Lieder der 1848er Revolution“, „Räuber- und Wildschützenlieder“) sind das Ergebnis. Der Dichter, Sänger, Vortragskünstler nahm und nimmt an Festivals, wie dem Tanz- und Folkfest Rudolstadt, dem Nürnberger Bardentreffen und dem Berliner Chansonfest, teil, schreibt mit Lebensgefährtin Uta Pilling Lied- und Sprechtexte und veröffentlichte 2003 die CD „Die Geschichte vom einsamen Selb“ – das gleichnamige Buch, es ist sein erstes, feiert am 25. September in der Moritzbastei Premiere.

(Bert Hähne)

Ein Kommentar anzeigen

  1. Ich kenne Jens schon sehr lange und hab ihn erlebt im Jugnedclub Hdl als er Ich habe meine Tante geschlachtet, oder ich hab mich in dein rotes Haar verliebt

    vorgetragen hat. Er ist ein unglaubliches Genie. Viele Std haben wir im Försterhaus mit guten Freunden verbracht.

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