Bauen in der vierten Welt

Zur Ausstellung „Lehm-Moscheen in Mali“ – Fotografien von Sebastian Schutyser im Deutschen Architektur Museum, Frankfurt/Main

Kürzlich stellte sich der SPIEGEL unter der Überschrift „Die vierte Welt“ wieder einmal der verdienstvollen Aufgabe, seinen Lesern zu erklären, warum Afrika so ist, wie es ist. Mit einem Autokraten in Simbabwe, der sein Land sehenden Auges in den Untergang führt, mit Milizen in Liberia und Kongo, die ihre Kriegslust auf Kosten der Zivilbevölkerung austoben. Der SPIEGEL wäre nicht der SPIEGEL, wenn er nicht auch gleich eine Antwort für das ganze Dilemma mitgeliefert hätte. Verklausuliert in einer Frage wurden als Begründung für die Misere die linguistische und ethnische Vielfalt genannt. Sie hätten die Herausbildung von großen Staatswesen in Afrika verhindert. Nun spielt die afrikanische Geschichte – gegenwärtige, koloniale und vorkoloniale – in deutschen Klassenzimmern und Redaktionsstuben keine große Rolle. Und offenbar macht es auch zuviel Mühe, diesen Umstand zu ändern. Insofern öffnen die Fotografien von Sebastian Schutyser den Blick auf das kulturelles und politisches Erbe, das auf dem afrikanischen Kontinent anzufinden ist.

Auf die Lehmmoscheen stieß Schutyser eher zufällig. Entgegen den großen und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Moscheen in Djenne und Timbuktu blieben die Moscheen in den Dörfern entlang des Nigers unentdeckt. Unterwegs mit dem Fahrrad oder einer Pirogge, machte sich der Fotograf auf den Weg, um die Bauweise und Formen der Gotteshäuser zu dokumentieren. Im Deutschen Architektur Museum Frankfurt war jetzt eine Auswahl der Fotografien zu sehen. Mit seinen Bildern wolle er die „kreative Mikrokultur des Bauens“ dokumentieren, sagte der belgische Fotograf in einem Interview für den Katalog zur Ausstellung. Die Schwarzweiß-Aufnahmen der Moscheen zeigen kraftvolle Bauten: mal schlicht und von außen gänzlich unscheinbar. Dann wieder mit Zinnen und Palisaden bewehrt, die an Schloss Neuschwanstein erinnern lassen. Auf allen Bildern fehlt aber jegliches Leben, so dass sich der Gedanke eines Freilichtmuseum einstellte. Oft ragen Palmbüschel aus der Fassade, die weniger Verzierung als dauerhaftes Baugerüst sind. Auf einigen Bildern sind noch frische Putzspuren erkennbar, bei anderen erinnert die ausgetrocknete Fassade an die faltige Haut eines Elefanten.

Die Moscheen in den Dörfern sind das Gemeinschaftsprodukt aller Bewohner. Architekten gibt es nicht. Die lokalen Dorfhandwerker gehen mit zur Hand. Das ist die Grundlage für den individuellen Stil. Die gemeinsame Arbeit verband mehrere Generationen, hatte eine wichtige soziale Bedeutung für die Gruppenzugehörigkeit. Mit einer fortschreitenden Individualisierung der Gesellschaft sind auch die Moscheen gefährdet. Hat sich die Bedeutung des kollektiven Rituals in eine anstrengende Fronarbeit gewandelt, die am liebsten vermieden würde. Schutyser scheint also gerade noch rechtzeitig gekommen sein, um ein eindrucksvolles Kapitel afrikanischer Architekturgeschichte zu dokumentieren. Abzüge seiner Fotografien sollen in die einzelnen Dörfer gebracht werden. Dann bleibt zu hoffen, dass sich die Erbauer der Lehm-Moscheen noch lange dem Diktat westlicher Betonbauweise wiedersetzen können.

Sebastian Schutyser: Lehm-Moscheen in Mali (Fotografie)

Deutsches Architektur Museum, Frankfurt/Main

Katalog 22,90 Euro

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.