Hinreißend komisches Sommertheater mit barockem Vampirgrusel: Giovanni Battista Pergolesi „Die Magd als Herrin” (Marcus Erb-Szymanski)

13.08.2003 Moritzbastei, Innenhof

Giovanni Battista Pergolesi ?Die Magd als Herrin?
Komisches Intermezzo in zwei Teilen
Text von Gennaro Antonio Federico
Deutsche Fassung von Wolf Ebermann und Manfred Korth

Inszenierung: Frank Wesner
Musikalische Leitung: David Timm


Reich mir Dein Blut mein Leben

Das ist schon seltsam, wenn eine barocke Komische Oper als Sommertheater im Innenhof der Moritzbastei, der Hochburg studentischen Müßiggangs, aufgeführt wird. Und noch seltsamer ist es, wenn dann gleich zu Beginn statt eines reichen vornehmen Herren aus seinem Gemach, ein schon leicht angefressener alter Vampir aus seinem Sarg steigt.

Eine kleine geniale Idee, nämlich das Sujet ins Vampirmilieu zu verlegen, macht aus dem biederen Zweiakter von Pergolesi witziges Sommertheater, das alles hat, was man erwartet: Groteskes, Grusel und Sexappeal. Die Rahmenbedingungen passen sich dem wunderbar an. Wenn Uberto als Vampir auf der Bühne erscheint, weht eine Sturmböe den Musikern die Noten vom Pult. Die Zuschauer sitzen amüsiert vor der kleinen Bretterbühne, die (historisch nah) nach Art der Commedia dell’Arte als einfaches Podest ohne Kulissen zusammengezimmert wurde und (zumindest theoretisch) von allen Seiten zu betrachten ist. Und schließlich erinnert an diese alte Theaterform auch das Spiel der Protagonisten, das sehr locker und natürlich, fast wie aus dem Stegreif improvisiert wirkt. Das ist umso erstaunlicher, als gerade die Opernrezitative oft genug die Darstellungen steif und unbeweglich werden lassen und im konkreten Fall auch wenig dramatischer Bewegungsspielraum herrscht.

Hier ist es neben der konzeptionellen Grundidee vor allem den Darstellern zu danken, dass sie ein Maximum an Amüsement aus den Rollen herausholen. Axel Thielmann als Uberto vor allem durch seine geniale Mimik und Gestik, die für permanente Situationskomik sorgt, Jana Hruby als Serpina vor allem durch ihre hinreißende Sangeskunst. Und Regisseur Frank Wesner kann in der Rolle des stummen Dieners Vespone, der die ganze Zeit nur herumgeschubst wird, auch nichts falsch machen.

Alles andere ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit geringsten Mitteln und witzigen Ideen, Spielfreude und Darstellungskönnen erfrischendes (Sommer)Musiktheater machen und die schöne Tradition dieses Genres in der MB fortsetzen kann: Wenn etwa Uberto zum Schmollvampir wird, der seine Magd Serpina nicht heiraten will, aber noch mehr schmollt, wenn er sie zu verlieren befürchtet; wenn seine sanften Bisse in Serpinas Hals diese für immer an ihn binden, und er dann damit leben muss, wenn sie ihn mit SM-Spielen und Fitnesswahn tyrannisiert; wenn Serpinas zärtliche Arien zur hohen Kunst der Verführung werden und Uberto mit einem väterlichen Händeschütteln seine Rührung verbirgt, die aber doch an seinem Gesicht abzulesen ist (ähnlich wie bei Emil Jannings gegenüber seinem ?Blauen Engel?).

Last not least ist dem Miniorchester unter Leitung von David Timm am Cembalo zu danken, für eine lebendige, klare und dabei stets saubere und dezente Begleitung, die zu keinem Zeitpunkt die barocke Musik antiquiert erscheinen ließ. Alles in allem ein Stück also, das man gesehen haben muss.

(Marcus Erb-Szymanski)

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