Stefan Maelck liest aus seinem Krimi „Ost Highway” (Friederike Haupt)

24.09.03 Schaubühne Lindenfels
Stefan Maelck liest aus seinem Krimi ?Ost Highway?


Cool, cooler, Hank Meyer
Stefan Maelcks Detektiv sorgt für Licht in Dunkeldeutschland

Welcher Gangsterjäger ist eigentlich der lässigste? Columbo? Schon mal nicht übel mit seinem abgenutzten Trenchcoat, dem vorsintflutlichen Auto und dem unvermeidlichen ?Ach, ich hab da noch eine Frage…? Und Schimanski? Auch ganz okay, Ruhrpott eben. Raymond Chandlers Philip Marlowe, der tough guy aus Kalifornien? Ziemlich nah dran am Ideal des perfekten Privatdetektivs. Doch einer ist cooler als sie alle: Hank Meyer.

Als Wessi ist er im finsteren Nachwendeosten ? Dunkeldeutschland ? gestrandet und hängt dort, wie es sich für einen Detektiv ohne Aufträge gehört, einfach nur rum. Das nötige Geld für die gelegentlichen Besäufnisse mit Freunden in seiner Stammkneipe ?Hölderlin? verdient er sich durch seinen DJ-Nebenjob beim MDR: ?Lost Songs Found? heißt seine Sendung, in der er die geneigten Hörer mit seiner liebsten Country-Music beschallt. ?Ein guter Song sagt einem soviel wie mehrere Wochen Leben, ein besserer soviel wie mehrere Monate, und der allerbeste Song sagt einem gar nichts, sondern stellt alles in Frage?, so Meyer, und es wird klar: Der Mann ist ein Profi ? zumindest was Musik angeht.

Als Stefan Maelck gegen 20:45 Uhr seinen Roman ?Ost Highway? aufschlägt, sind die Besucher der Lesung bereits gewarnt. Sein Buch wolle er nicht mit Kunst verwechselt wissen, so der Autor kurz zuvor, und dann legt er auch schon los mit dem sogenannten Krimi, der sich aber mit der Zeit als Aphorismen- und Songsammlung der Coolness-Superlative entpuppt. Natürlich gibt es auch einen Mordfall: Die Radio-Moderatorin Gerda Lattke wurde erdrosselt (beachtlicher Weise mit einem Schlüpfer), hat anscheinend eine IM-Vergangenheit (Meyer: ?Alles Stasi. Außer Mutti.?) und verhilft durch ihr plötzliches Ableben dem nach eigenem Bekunden langsamen, aber teuren Privatdetektiv zu einem Auftrag. Es gilt, den Mörder zu finden.

Während der Recherche trifft der beherzte Fahnder auf trinkfeste Zonen-Omas, die er durch solidarisches Mitsaufen zum Ausplaudern von Informationen bringt; F6-rauchende Taxifahrer werden ausgehorcht, Tom-Jones-Konzerte besucht, Plattensammlungen nach Beweisen durchsucht und immer wieder zynisch-philosophische Weisheiten eingestreut. ?Das ist doch einer, bei dem sich unter den Fingernägeln mehr abspielt als im Kopf?, sagt er über einen musikgeschmacklich untauglichen Mitmenschen, und zum Thema Osten: ?Vorurteile tun dem Osten gut. Sie sind meistens milder als die Realität.? Meyers Idee einer Fernsehsendung namens ?Scheiß Osten ? Die Hierbleibe-Show? wird von Maelcks Publikum grinsend aufgenommen, sind sich doch alle im Klaren darüber, dass dieser hellsichtige Vorschlag vor der Ausstrahlung sämtlicher DDR-Shows zu Papier gebracht wurde.

Stefan Maelck (1964 in Wismar geboren), übrigens auch als Radiomoderator tätig gewesen, liest Meyer und Konsorten natürlich, wie es ihnen zusteht: Die Omas mit Fistelstimme, den in den USA lebenden Sohn der Ermordeten mit schnarrendem Ami-Akzent und Hank Meyer selbst mit einem derart lakonisch-coolen Unterton, dass der Zuhörer eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen Autor und Figur nicht ausschließen möchte. Schade nur, dass nach knapp einer Stunde zum Buch gegriffen werden muss, wenn man mehr will; die Lesung jedenfalls ist zu Ende.

?Ein Hank Meyer Roman?, so der Untertitel von ?Ost Highway?, obwohl es der erste Hank-Meyer-Roman ist. Und während man noch hinkende Vergleiche anstellt zu Chandler, Vian, Bukowski und Hornby, arbeitet Maelck hoffentlich schon an einer Fortsetzung der Dunkeldeutschland-Abenteuer des sympathischen Gammeldetektivs, dessen größte Angst es ist, einmal so auszusehen wie sein Held Van Morrison.

(Friederike Haupt)

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