Zurück zur Musik

Das Grosse Concert mit Trevor Pinnock, Imogen Cooper und dem Gewandhausorchester

Eitelkeit ist seine Sache nicht: Wenn Trevor Pinnock das Konzertpodium betritt, lässt er keinen Zweifel daran, dass es ihm nicht um Selbstdarstellung geht, sondern allein um die aufzuführende Musik. Einen Taktstock benötigt Pinnock ebenso wenig wie große Gesten. In einzigartiger Weise spürt er jeder (scheinbar) noch so peripheren Nebenstimme nach, findet in den Partituren Interessantes an Stellen, wo andere gar nicht erst suchen. Dabei gibt er die Einsätze so akkurat und deutlich, als wolle er dem Publikum auf diese Weise demonstrativ die Struktur der Kompositionen aufzeigen. Unter Pinnock findet das Gewandhausorchester zu einer Spielweise, die rhythmische Präzision mit agogischen Freiheiten, klassisches Ebenmaß mit romantischem Überschwang wie selbstverständlich verbindet.

Schon Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre gelingt den Musikern ganz hervorragend und wird dadurch zur musikalischen Messlatte für den weiteren Abend. Die abrupten Sforzati der langsamen Einleitung klingen wie ein einziger Energiestoß, in den dazwischen liegenden Generalpausen ist die Spannung fast unerträglich. Den so gegensätzlichen Charakter der beiden Themen arbeitet Pinnock plastisch heraus, ohne die Einheit der Ouvertüre zu sprengen.

Bei der Aufführung von Mozarts Klavierkonzert KV 503 erweist sich Trevor Pinnock als hervorragender Begleiter, der zum einen stets auf die Solistin reagiert, zum anderen das Orchester zu jener Zurückhaltung anhält, welche bei einem Solokonzert eigentlich selbstverständlich sein müsste, aber leider viel eher die Ausnahme ist. Dagegen gibt es heute sogar manch eine Stelle, wo das Klavier etwas zu laut wirkt, woran natürlich auch der nicht gerade bescheidene Klang des Steinway mit Schuld hat. Diesem Flügel entlockt Imogen Cooper Klänge unterschiedlichster Färbungen. Ihre Differenzierungskunst bewahrt das Konzert vor der Wirkung effekthascherischen Virtuosentums und verleiht ihm würdevollen Glanz. Hervorragend!

Im zweiten Teil des Konzerts steht Mendelssohns „Schottische“ auf dem Programm. Pinnocks Deutung wartet mit einigen Überraschungen auf: Ein unerwartet kleines Orchester, eine unerwartet große Bereitschaft dieses Orchesters, sich in leisen Passagen (z. B. Hauptthema des 1. Satzes) auch tatsächlich extrem zurückzunehmen, und eine im Vergleich zu anderen Aufführungen unerwartet klare Durchhörbarkeit des akustischen Gesamtbildes lassen diese Aufführung zu einer wirklich herausragenden werden. Der tosende Schlussapplaus kommt daher keineswegs unerwartet.

Ludwig van Beethoven: „Coriolan“ Ouvertüre op. 62
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert KV 503
Felix Mendelssohn Bartholdy: Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 (?Schottische?)

Imogen Cooper, Klavier
Gewandhausorchester
Dirigent: Trevor Pinnock

25.09.2003, Gewandhaus, Großer Saal

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