Gaspare Traversi (1722-1770) Ausstellung in Stuttgart zeigt Heiterkeit im Schatten
Wie können Künstler sich vor dem Vergessen retten? Viel schreiben? Viel malen? Das letzteres nicht unbedingt eine verlässliche Garantie gibt, zeigt das Schicksal des Gaspare Traversi. Obwohl Traversi für einige bekannte Auftraggeber seiner Zeit tätig war, blieben seine Bilder des italienischen Settecento lange Zeit dem Laien- und Fachpublikum verborgen. Viele seiner Werke wurden statt dessen dem bekannteren Zeitgenossen Guiseppe Bonito zugeschrieben. Nachdem die Stuttgarter Staatsgalerie 1999 Traversis Bild ?Die Operation? erwerben konnte, reifte dort die Idee für eine Ausstellung. Und nicht zu Unrecht, wie der Blick auf die nun versammelten 65 Gemälde zeigt. Präsentiert wird fast ein Drittel des 200 Werke umfassenden Oeuvres, von denen sich nur zwei im Besitz deutscher Museen befinden.
Traversi lebte fast dreißig Jahre in Neapel. Einer seiner wichtigsten Förderer wurde der einflussreiche Franziskaner-Pater Raffaello Rossi da Lugagnano. Der Kirchenmann wurde von Traversi mehrmals porträtiert. Ein Bild, das in Stuttgart zu sehen ist, zeigt Raffaello Rossi als Ordensgeneral und Visitator im Zenit seines Einflusses im Franziskaner-Orden. Von dieser geballten klerikalen Macht zeigt das Bild indes wenig und Traversi vermied es, diese künstlerisch zu überhöhen. Die braune Mönchskutte hebt sich nur unschwer vom Hintergrund ab. Das Gesicht und die Hände, die ein Buch halten, ziehen den Blick an. Die Gesichtszüge verraten keinerlei Anspannung. Die Augen blicken konzentriert auf den Betrachter. Tiefe Furchen haben sich in die Stirn gegraben. Die große Nase beherrscht das Gesicht.
1752 ging Traversi nach Rom, wo er bis zu seinem Tod 1770 im Stadtteil Trastevere lebte, den er vor allem wegen seines dörflichen Charakters schätzte. Hier fand Traversi die Alltagsmotive, bei denen er den ‚kleinen Leute‘ auf die Finger schauen konnte und ihnen mit seinen Bildern einen Spiegel vorhalten konnte. In Bildern wie ‚Die Operation‘ (um 1753/54) schildert er genüsslich die Schwächen der Menschen. Hier zeigt sich Traversi als geübter Beobachter der Leiden und Emotionen. Die Schmerzensschreie des gepeinigten Patienten scheinen sich förmlich aus dem Bild zu lösen. Der Eingriff den Traversi festhielt, dass so genannte ‚Steinestrecken‘, war eine Gallen-Operation und wurde ohne Betäubung durchgeführt. Die darbende Ehefrau schaut verängstigt aus dem Hintergrund auf die Szenerie, ein Assistent blickt wissbegierig und fast genüsslich zu, während der Doktor mit spitzen Fingern das Skalpell hält und sich an der Wunde zu schaffen macht.
Die Leidenschaft für Theater und Musik schimmert in vielen von Traversis Bildern durch. In Neapel hatte er die Anfänge der Blütezeit der komischen Oper noch miterlebt. Bilder wie die ‚Mandolinenspielerin‘ oder ‚Das kleine Hauskonzert mit Mandolinenspieler‘ verraten viel von der Leichtigkeit, die Traversi bei diesem Sujet verspürt haben muss. Den Musikanten spielt ein feines Lächeln um die Mundwinkel, alles erscheint außerordentlich heiter. Auch in diesen beiden Werken wird die Realität „ungeschminkt“ abgebildet. Ob nun die runzlige Alte oder die schlechten Zähne der Mandolinenspielerin, für Kompromisse bleibt da kein Raum. Oder ‚Das Konzert a voce sola‘, ein Gemälde das weniger den Kunstgenuss als vielmehr die Künstlerin in den Vordergrund zu stellen scheint. Zumindest für den Kirchenmann, der das Konzert angestrengt durch sein Monokel verfolgt und den reichen Patron, der sich durch Kleidung und Gestik vom Rest der Gesellschaft abhebt.
Die Reihe der eindrucksvollen Bilder ließe sich noch fortsetzen mit Werken wie ‚Die schlafende Schöne‘, ‚Hausmädchen‘, ‚Süditalienische Landfrau‘ oder ‚Am Boden liegender Bettler‘. Traversis Bilder einer „unverhüllten Wahrheit“ erzählen dem aufmerksamen Betrachter mehr als nur eine Geschichte. Mit Gaspare Traversi ist ein Maler wiederentdeckt worden, der viel zu lange in den dunklen Verliesen der Vergessenheit verborgen lag. Am Ende hat die Heiterkeit die Schatten verjagt.
Heiterkeit im Schatten. Gaspare Traversi (1722-1770).
Ausstellung bis 16. November, Staatsgalerie Stuttgart
Katalog 22,90 Euro
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