„Liebelei” von Arthur Schnitzler, Premiere (Stefan Rosmer)

30.10.2003 Schauspielhaus Leipzig ? Theater hinterm Eisernen

?Liebelei? von Arthur Schnitzler (Premiere)

Regie: Enrico Lübbe
Bühne: Hugo Gretler
Kostüme: Sabine Blickenstorfer88
Musik: Thomas Hertel

Darsteller:
Weiring: Friedhelm Eberle
Christine: Daniela Holtz
Mizi: Julia Berke
Katharina Binder: Bettina Riebesel
Fritz: Michael Schrodt
Theodor Kaiser: Stefan Schießleder
Ein Herr: Günter Schoßböck


Drastischer ? aber harmlos

Liebelei ? der Titel des Stücks ist assoziationsträchtig: er impliziert die Vergangenheit der Beziehung und ihre Verspieltheit und ihre Harmlosigkeit, dass es noch nicht ernst war, aber schön und das alles zwar anders aber solide geworden ist. Es ist ein eigenartige Parfüm, das schon der Titel leicht verströmt, ein Parfüm, dem Schnitzler eine Note von Schwere und Vergänglichkeit beimischt und das er den ganzen ersten Akt über sanft duften lässt. Diese filigrane Leichtigkeit kann es allein schon wegen der Atmosphäre ?hinter dem Eisernen? nicht geben und auch die ? wie es üblich ist ? reduzierte Bühne von Hugo Gretler trägt trotz ihrer Blumentapeten nur wenig dazu bei, etwas Schwebendes zu schaffen.

Die Inszenierung scheint denn auch ihren Ehrgeiz darauf zu richten, vor allem dem ersten Akt alles Schwebende, Unbestimmte und alles Ahnungsvolle gründlich auszutreiben. Es soll einem wohl vor allem klar gemacht werden: den jungen Herren geht’s ums Ficken. Da wird der Handkuss durchs Fingerabschlecken ersetzt, gefräßig geknutscht, Wein in Strömen vergossen, gegröhlt statt gesungen und Theodor spritzt der Mizi eifrig Sahne (was das wohl bedeuten soll?) in den Mund. Zwar ist diese Mini-Orgie nicht schlecht gemacht und irgendwie auch ein bisserl erotisch, und es ist ja auch nicht so, dass Schnitzlers Text Andeutungen auf das Erotische nicht enthalten würde. Aber wenn es so grobschlächtig und platt hervorgekehrt wird, verliert so manches seinen Sinn: Theodors Lob der Behaglichkeit ? zum Erholen sind sie da ? taugt allenfalls zum Lacher und wirft kein Licht mehr auf ihn als Figur zurück.

Gravierender ist es freilich, dass der Auftritt des betrogenen Ehemanns zwar als Bruch dargestellt wird, aber in der Logik der Inszenierung keiner ist. Wo vorher nichts Abgründiges war, kann die Duellannahme Fritzens dieses nicht Aufscheinen lassen und alles was danach kommt, gewinnt so keine innere Notwendigkeit: die Figuren bewegen sich fortan mechanisch wie Puppen auf dem Karussell. Der lebensmüde-gelangweilte Fritz, dem es danach gründlich bang vor Erschossen-Werden wird, kommt als vielschichtiger Charakter überhaupt nicht zum Tragen. Was er weiterhin tut, bleibt ohne jede Nachvollziehbarkeit ? und das bei einem Autor wie Schnitzler. Die eingefügte Fress-Erbrech-Szene krönt die Sinnlosigkeit noch und was als tiefsinniges Symbol gedacht sein mag, entlockt einer Zuschauerin dann doch wieder nur einen Lacher. Es wundert einen also kaum, wenn Michael Schrodt in dieser Rolle nicht überzeugen kann und größtenteils mit grimassenhafter Mimik auf der Bühne herumsteht.

Stefan Schießleder als hedonistisch-egoistischer Theodor und Julia Berke als Luder Mizi wirken dagegen wesentlich überzeugender. Sie haben es allerdings auch wesentlich leichter, weil bei ihnen die Verkürzung ihrer eigentlich wesentlich nuancenreicher angelegten Charaktere auf flache Typen funktioniert und auch einigermaßen bühnenwirksam ist.

Mit dem zweiten und dritten Akt gewinnt die Aufführung dann etwas an Substanz, was freilich weniger an der Inszenierung liegt als am Stück selbst. Es treten mehr Figuren auf und es geschieht mehr. Friedhelm Eberle gibt den liebenden Vater überzeugend ebenso Bettina Riebesel die gehässige Nachbarin. Allerdings sind auch hier wieder die Figuren verkürzt und typisiert. Vollkommen unnötig ist die eingefügte Anmache Weirings mit den heißen Mandeln (warum eigentlich nicht gleich Nüsse??) ? was man den Figuren anderswo an Vielschichtigkeit abzieht, meint man hier wohl zufügen zu müssen; ein Gewinn für die Aufführung ist das allerdings nicht.

Zuletzt kappt die Inszenierung dem Stück die Spitze, indem sie den Selbstmord Christines nur durch ihre Abwesenheit bei der zweiten Umdrehung der Bühne darstellt. Auch die mit Misstönen und Hornschluchzen versehene Wiederaufnahme der Rummelmusik, die schon zu Beginn und zwischen dem ersten und zweiten Akt erklang, kann nicht verdeutlichen, dass eben nichts mehr so ist wie am Beginn, während bei Schnitzler der Tod ins Spiel einbricht, gerät hier das Sterben zur Karussellfahrt. Das Ganze kann man zur Not ganz unterhaltsam finden, Sinn ergibt es keinen.

(Stefan Rosmer)

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