Kein Ruhmesblatt

„Elias op. 70“ ist der Höhepunkt bei den Mendelssohn Festtagen

In seiner jüngsten Aufführung des „Elias“ hat sich das Gewandhaus nicht eben mit Ruhm bekleckert. Zwar gab es keine gravierenden Ausfälle zu beklagen; andererseits fehlte aber so ziemlich alles, was die Darbietung über guten Durchschnitt hätte erheben können.

Das größte Problem lag beim Dirigenten: Herbert Blomstedt klebte über weite Strecken regelrecht an den Noten fest und reagierte nicht immer mit der erforderlichen Flexibilität auf den Chor und die Solisten. Schon im ersten Rezitativ („So wahr der Herr“) musizierten Christian Gerhaher und das Orchester bedenklich nebeneinander her, ohne dass Blomstedt hier auch nur im geringsten versucht hätte, gegenzusteuern – die erste von mehreren Ungenauigkeiten des Abends. Doch auch inhaltlich schien Blomstedts Konzept teilweise undurchdacht, so z. B., als der Chor dem Götzen Baal zurief „gib uns Antwort!“, Blomstedt die darauffolgende Generalpause aber soweit verkürzte, dass Baal beim besten Willen keine Möglichkeit gehabt hätte, irgend etwas zu erwidern. Außerdem gelang es dem Dirigenten nicht, ein auch nur annähernd ausgewogenes klangliches Verhältnis zwischen Orchester und Chor bzw. Solisten zu verwirklichen – letztere hatten kaum eine Chance, sich durchzusetzen.

Die beiden Chöre gaben sicherlich ihr Bestes und einige wirklich gelungene Nummern belohnten die Bemühungen; dennoch: Die Textverständlichkeit ließ sehr zu wünschen übrig, und in den etwas komplizierteren Sätzen glich der klangliche Gesamteindruck oft einem unentwirrbaren Geflecht unzusammenhängender Linien. Die Chorsolisten begeisterten hingegen uneingeschränkt (v. a. „Wirf dein Anliegen“) und bewiesen, welches Potenzial eigentlich im Chor steckte. Offenbar wäre hier mehr drin gewesen.

Die Solisten, allen voran die Sopranistin Sibylla Rubens, machten Ihre Sache ausgezeichnet und trugen erheblich mit dazu bei, dass der Abend nicht zum Reinfall wurde. Wie Rubens die flehende Witwe gab („Hilf mir, du Mann Gottes“), war wirklich hörenswert; auch James Taylor als Obadjah u. a. verlieh seinen Rollen überzeugend Gestalt. Christian Gerhaher gab einen vielschichtigen Elias und differenzierte gekonnt zwischen den eher lyrischen Passagen, v. a. im zweiten Teil des Oratoriums („Es ist genug“) und den Eiferszenen („Ist nicht des Herrn Wort wie ein Feuer“). Leider fiel Nathalie Stutzmann etwas dagegen ab, deren dunkler Alt recht herb und wenig geschmeidig wirkte.

Alles in allem: Eine Aufführung, wie man sie häufig erleben kann, zwar ohne Katastrophen, aber auch nicht gerade überwältigend. Unter einem Höhepunkt der Mendelssohn-Festtage stellt man sich irgendwie etwas Anderes vor…

Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias op. 70

Sibylla Rubens, Sopran
Nathalie Stutzmann, Alt
James Taylor, Tenor
Christian Gerhaher, Bass

Gewandhauschor
Gewandhaus-Kammerchor
Gewandhausorchester
Dirigent: Herbert Blomstedt

31.10.2003, Gewandhaus, Großer Saal

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