Wiederaufnahme: Guiseppe Verdi, La Traviata (Steffen Lehmann)

17. Januar, Opernhaus

Guiseppe Verdi, La Traviata

Musikalische Leitung: Ivan Anguélov

Violetta Valéry: Fiorella Burato
Flora Bervoix: Kathrin Göring
Alfredo Germont: Stefano Secco
Giorgio Germont: Tommi Hakala

Inszenierung: Andreas Homoki
Bühnenbild: Frank Philipp Schlößmann
Kostüme: Gabriele Jaenecke
Choreinstudierung: Anton Tremmel


Im Liebesrausch

Nach fast drei Jahren Henri Maiers an der Leipziger Oper scheint die Ära Udo Zimmermann unendlich weit zurück. Nach dem jüngsten Erfolg mit Berlioz‘ ?Die Trojaner? wurde aber nun mit Andreas Homokis ?La Traviata? eine der wirkungsmächtigsten Inszenierungen von Maiers Vorgänger wieder aus dem Fundus geholt. Dabei hatte Maier das Glück, nur zwei Rollen neu besetzen zu müssen. Und was anderswo ein Unsicherheitsfaktor gewesen sein könnte, entpuppte sich am Augustusplatz als Volltreffer. Denn Tommi Hakala brillierte als Giorgio Germont und dürfte mit seinem silbrig glänzenden Haar und dem sonoren Bass besonders das weibliche Publikum verzückt haben.

Mit ?La Traviata? machte sich Verdi daran, seine im ?Rigoletto? begonnene Beschäftigung mit den weniger markanten Geschöpfen des Alltags fortzusetzen. Kaum verwunderlich, dass ihn der Roman ?Die Kameliendame? von Alexandre Dumas sofort in seinen Bann zog. Verdi las die Lebensgeschichte der jungen Alphonsine Duplessis im Frühjahr 1851. Duplessis schaffte den Aufstieg aus ärmlichsten Verhältnissen zur begehrtesten Kurtisane von Paris. Im Alter von 23 Jahren stirbt sie vereinsamt an Schwindsucht. In ?La Traviata? geht es aber auch um Gegensätzliches. Der Suche der Kurtisane nach echter Liebe und dem exzessiven Verlustierungen der Gesellschaft und der Landidylle im Privatissimum.

Wo eine üppig ausgestattet Bühne erwartet wurde, überrascht eine leere Fläche. Blaue Netzlinien durchziehen den Boden und geben dem Raum etwas Futuristisches. Und mitten drin, allein in strahlendem Weiß, die zerbrechlich wirkende Fiorella Burato als Violetta Valéry. Und dann geht es los mit bestem Belcanto und einem Gewandhausorchester, das sich als ebenso charmanter wie hervorragend eingestellter Begleiter entpuppt. Die ersten Minuten gehören allein Burato. Und wie sie mit ihren Verehrern spielt. Immer wenn diese sich ihrer Sache sicher fühlen, erweist sich die begehrte Kurtisane als Meisterin des Seitausfallschrittes.

Aber hier wird schon die Saat für den Konflikt gelegt, der der Handlung Antrieb gibt. Valéry ist die Geliebte des Baron Douphol (Rudolf Riemer) und als solche überhaupt erst gesellschaftsfähig geworden. Noch mehr wird sie von dem jungen Alfredo Germont, der ihr seine Liebe in einem unbeobachteten Moment beichtet, begehrt. Stefano Secco gibt den von Liebe verzehrten, unruhig herumirrenden Alfredo sehr überzeugend. Die beiden steigern sich einen Rausch aus innigen Worten hinein, der jäh von Alfredos Vater Giorgio unterbrochen wird. Wie Tommi Hakala, schwarzgewandet, aus dem Hintergrund mit steil aufragenden Zylinder die Bühne durchschreitet, ist faszinierend und lässt die Worte von Johnny Cash deutlich werden: There is a man going round taking names / He decides who to free and who to blame. Giorgios Dialog mit Violetta, als er sie auffordert, Alfredo zu verlassen, um seine Familie nicht länger zu kompromittieren und seine Tochter verheiraten zu können, ist einer der herausragenden Momente an diesem Abend. Burato gibt ihre Violetta verletzlich, aber doch noch kämpferisch, wo Hakalas Giorgio keineswegs leichtes Spiel hat.

Homokis Inszenierung erspart dem Zuschauer jegliche Mätzchen. Das Sänger-Ensemble und der ebenfalls sehr überzeugende Opernchor stehen im Mittelpunkt. Keineswegs selbstverständlich in Zeiten des angestrengten Heischens nach Aufmerksamkeit. Und so nehmen wir von diesem Abend noch die Lehre mit, dass die Liebe der Pulsschlag des Universums ist. Viel Jubel. Mehr davon!

(Steffen Lehmann)


Nächste Aufführungen: 23., 25. und 30. Januar

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