Vielseitiger geht nicht

Das 13. bundesweite Jazznachwuchs – Festival in Leipzig

Mit polnischer Folklore – „leicht verjazzt und reharmonisiert“ – eröffnet das Duo Trybala-Störmer den Donnerstagabend und damit das Festival. Die aus Polen stammende Sängerin Karolina Trybala singt und rezitiert Volkslieder und Gedichte ihrer Heimat, die vom Hannoveraner Saxophonisten Lars Störmer begleitet, umspielt, und kommentiert werden. Die intime Klangsprache des Duos ist beredt und eigenständig und vermag es, die Zuhörer zu bannen. Die 2. Band des Abends, das Carsten Daerr Trio aus Berlin, steht dieser Eigenständigkeit in nichts nach. Die Kompositionen des Pianisten Carsten Daerr bzw. des Schlagzeugers Eric Schaefer sind von den Geräuschen und vielfältigen musikalischen Erscheinungen der Hauptstadt ebenso inspiriert wie von der Tradition Neuer Musik. Die rhythmisch federnden und harmonisch komplexen Stücke bieten den drei Musikern den Raum für ausgedehnte Improvisationen und Klangspielereien, die sich nicht an Konventionen orientieren, sondern eigene Ausdrucksmöglichkeiten suchen und finden. Die Band Brand(t)melder, die den Abend beschließt, widmet sich vor allem den Kompositionen des bereits verstorbenen Baritonsaxophonisten Helmut Brandt. Die ambitionierte 7-köpfige Formation, alles Studenten der Leipziger Musikhochschule, nimmt die Herausforderung der schwierigen und dichten Arrangements an und belebt diese zu neuem Leben.

Der Freitagabend wird von der ebenfalls aus Leipzig stammenden Band Hojazz, die sich um den irakischen Oud-Spieler Seaf Alkeat formiert, eingeleitet. Stilsicher konfrontiert sie traditionelle arabische Musik mit freier Improvisation und Swingelementen. Die formale Strenge der Kompositionen von Alkeat ist in Verbindung mit der präzisen Spielweise der Band eine echte intellektuelle Herausforderung. Es folgt das Trio CEG von der Musikhochschule Weimar, das in klassischer Klavier-Trio-Besetzung spielt. Die Kompositionen des Pianisten und Bandleaders Philipp Cieslewicz kommen leicht und unbeschwert daher und bieten dem Trio die Basis, von der aus sie zu ausgiebigen Phantasieausflügen anheben kann. Widererwarten ist die Musik des Trios kein erneuter Aufguss von bereits Bekanntem, sondern behauptet sich in einer schier endlosen Tradition des Klaviertrios mit originellen Ideen und jugendlicher Spontaneität. Die 3. Band des Abends nennt sich Noski und kommt aus Düsseldorf. Ihr Programm ist von den Kompositionen der Sängerin Katrin Mickiewicz geprägt. Die in polnischer Sprache gesungenen Stücke haben Extravaganz und stehen stilistisch betrachtet zwischen den Stühlen. Elektronische Sounds verweben sich mit sperrigen Melodien zu einem kontemplativen Ganzen, das zwar Aufmerksamkeit vom Hörer fordert, ihn jedoch nicht überfordert. Musikalische Ironie und Experimentierfreude stehen im Zentrum der Musik von Ohne 4 Gespielt 3 aus Essen. Die ungewöhnliche Instrumentenkombination ermöglicht es den drei MusikerInnen neue Klangmöglichkeiten zu erforschen. Mit Stücken wie beispielsweise „Fassanstich“ oder „Hausmannskost“, die keinesfalls programmatisch zu verstehen sind, gehen sie abseits von ausgetrampelten Pfaden und entdecken so musikalisches Neuland. Der Abend wird beschlossen vom Johannes Lauer Quintett aus Berlin, das mit bebopartigen Uptempo-Nummern aus eigener Feder das Publikum anheizt und mit einfühlsamen Balladen zum Träumen bringt. Die Stücke sind gut abgehangen und verleugnen ihre traditionelle Provenienz nicht.

Das Magnus Mehl Quartett aus dem Schwabenländle ist ebenso der Bebop-Tradition aufs engste verbunden. Der virtuose Bandleader, Saxophonist Magnus Mehl, erbläst sich und seiner Band mit rasanten Soli die Aufmerksamkeit des Publikums und setzt sozusagen den Startschuss für den Abschlussabend des Festivals. Neben Stücken von Kenny Baron u.a. stehen Eigenkompositionen auf dem Programm, die vor allem als Spielwiese für die technische Brillanz des Bandleaders fungieren. Professor Doctor Doctor aus den Niederlanden setzt den Abend mit nicht gerade akademischem Programm fort. Zwar geht es der dreiköpfigen Band in erster Linie um Studien zur Klang(flächen)erzeugung; die Methoden entsprechen jedoch nicht den Standards eines Laborexperiments: es wird gesampelt, geloopt, verfremdet, gerieben, gepocht, gequietscht, geschlagen, gezupft und geblasen – alles in Echtzeit und ohne erkennbare Vorgaben und mit viel technischem Equiqment. Dem folgt die Band Amaranthin aus Köln mit einem hörbar entspannterem Sound und eingehenden Melodien. Deren Musik ist beeinflusst vom Fusion der 80er und 90er Jahre und basiert auf Eigenkompositionen des Gitarristen Carsten Neugebauer und des Schlagzeugers Tobias Möller, die viel Platz für ausgefeilte Improvisationen lassen. Lönt aus Weimar beenden das 3-tägige Nachwuchs-Festival mit Eigenkompositionen aus der Feder des Gitarristen und Bandleaders Helmar Kilian. Jazzrock-Stücke und Balladen bilden den Schwerpunkt dieses letzten Auftritts. Über modale Akkordfolgen entwickelt die Band einen schlanken Gruppensound, der über lange Strecken Spannungen aufbaut, die sich spontan entladen und wieder konsolidieren.

Bleibt zum Schluss noch zu bemerken, dass sich die Festivalleitung erneut zugute heißen kann, dass sie jungen Musikern ein Podium bietet, auf dem diese ihre Musik einem interessierten Publikum vorstellen können – eine Möglichkeit, die alle beteiligten Bands zu schätzen wissen und die in dieser Form in Deutschland einmalig ist.

Programm:Duo Trybala-Störmer
Gesang – Karolina Trybala
Saxophon – Lars StörmerCarsten Daerr Trio
Piano – Carsten Daerr
Kontrabass – Oliver Potratz
Schlagzeug – Eric SchaeferBrand(t)melder
Baritonsaxophon – André Bauer
Tenorsaxophon – Johannes Moritz
Flügelhorn – Konrad Schreiter
Flügelhorn – Stefan Sterzing
E-Gitarre – Christoph Bley
E-Bass – Daniel Wehrbach
Schlagzeug – Beat FreisenHojazz
Oud – Saef Alkeat
Tenorsaxophon, Klarinette – Thomas Gruss
Kontrabass – Reiner W. Bolik
Perkussion, Schlagzeug – Nora ThieleTrio CEG
Piano – Philipp Cieslewicz
Kontrabass – Matthias Eichhorn
Schlagzeug – Martin GreuleNoski
Gesang – Katrin Mickiewicz
Sopransaxophon, Bassklarinette – Miriam Frank
Gitarre – Raphael Vanoli
Kontrabass – Sean Fasciani
Schlagzeug – Uli GenengerOhne 4 Gespielt 3
Klarinette, Bassklarinette, Alt-und Tenorsaxophon – Sven Decker
Bassklarinette, Alt- und Baritonsaxophon, Electronics – Katrin Scherer
Schlagzeug, Perkussion – Bernd OezsevimJohannes Lauer Quintett
Posaune – Johannes Lauer
Saxophon – Benjamin Kraef
Gitarre – Benedikt Reidenbach
Kontrabass – Anne Lieberwirth
Schlagzeug Peter GallMagnus Mehl Quartett
Alt- und Sopransaxophon – Magnus Mehl
Piano – Oliver Palotai
Kontrabass – Andre Schulz
Schlagzeug – Martin WoronProfessor Doctor Doctor
Trompete, Electronics – Nils Ostendorf
Gitarre, Electronics – Philipp Weies
Drums, Electronics – Morton NottelmannAmaranthin
Gitarre – Carsten Neugebauer
Piano – Till Schumacher
Kontrabass – Mathias Hacker
Schlagzeug – Tobias MöllerLönt
Gitarre – Helmar Kilian
Tenorsaxophon – Hannes Daerr
E-Bass – Janina Hacker
Schlagzeug – Ingo Kaiser

13. Bundesweites Jazznachwuchs – Festival

18. bis 20. März 2004, Moritzbastei



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