„Shelf Life”: Caden Manson und die Big Art Group New York (Steffen Kühn)

„Shelf Life“
Big Art Group New York – Caden Manson
Europäisches Zentrum der Künste Hellerau – Eröffnung der Spielzeit 2004
Festspielhaus Hellerau
25. 4. 2004, 20.00 Uhr

Konzept:Caden Manson, Jemma Nelson
Regie, Set, Video:Caden Manson
Text, Sound:Jemma Nelson
Frankie:Jon Norman Schneider
Wendy:Rebecca Sumner Burgos
Max:David Commander
James:Carry Curran
Doubles:Amy Miley, Willie Mullins, Krissy Smith
Regieassistenz:Linsey Bostwick
Technische Leitung / Licht:Jared Klein
Company Management:Krissy Smith
Kostüm:Machine
Bewegungstraining:Krissie Marty
Deutsche Übersetzung:Thomas Rach
Übertitel:Tom O´Malley


„Auf nach Hellerau“

„Shelf Life“ ist ein kritischer amerikanischer Blick auf den geistigen und physischen Müll der westlichen Gesellschaft. In der Sucht nach neuen Reizen wird das immer öfter und öfter Weggeworfene schließlich selbst zur Inspirationsquelle. Die Gefahr, dass sich die Katze dadurch in den Schwanz beißt, ist latent vorhanden. Caden Manson akzeptiert das und inszeniert zuerst einmal diese unsere Trashkultur. Auf der anderen Seite thematisiert er durch eine Mischung aus Live-Performance und Video das Verhältnis der Bilder zur ihrem Inhalt und verfolgt die Wirkungen, die durch Bilder, aber auch durch Konsumverhalten ausgelöst werden.

Ein Stück über das Verstoßene, das Entledigte mit den darin immanenten Bedeutungen. Zwar wurde es schon 2001 in den USA und 2003 in Europa aufgeführt, passt jedoch wunderbar nach Hellerau mit seinem Festspielgelände und in die stete Präsenz von Verfall und Überformung kultureller Visionen der „Deutschen Werkstätten Hellerau“.

Manson erzählt zufällig Aufgelesenes: über James, den verklemmten Mann aus der Putzkolonne eines Kaufhauses. Oder Wendy, die ökologisch korrekte Lesbierin. Über Max, den bodybuildenden Gernemacho. Schließlich über Frankie, eine aus Konsumverheißungen zusammengesetzte Figur, welche alle versuchen, für sich auszunutzen. Viel Klischee mit hohem Unterhaltungswert. Gleiche Verhaltensweisen und Reflexe machen die drei – James, Wendy und Max – austauschbar, zur Masse, letztendlich zur Plage für Frankie, die den manischen Ansprüchen schutzlos ausgesetzt ist.

Das von Manson entwickelte „Real Time Film“-Konzept setzt an der Schnittstelle zwischen Bild und Inhalt an. Auf Videoschirmen werden die Darsteller online übertragen. Die drei Kameras fangen immer nur einen Ausschnitt ein, diese Ausschnitte werden dann auf dem Schirmen originell zusammenmontiert. So sind die Menschen im Film zusammengesetzt aus dem darstellenden Original und drei Doubles. Es wird physisch erlebbar, wie die Mechanismen der Warenwelt vom Menschen Besitz ergreifen. Straßenszenen, Autofahrten oder der Wahnsinn eines Kaufhauses werden in hohem Tempo inszeniert. Als Kulissen dienen dabei auch Postkarten, welche vor die Kamera gehalten werden als Bilder von Bildern. Ein gewaltiger Rausch aus gesampleten Alltagsgeräuschen, Originalstimmen und Musik, die an Maceo Parker´s „dial:MACEO“ erinnert, erzeugt konzentrierte Spannung.

Technisch perfekt, amerikanisch gelassen, aber höchst konzentriert muss sich das „alte“ Europa zeigen lassen, wie man immer wieder auch längst Erkanntes diskutieren kann, ohne sich im geringsten durch Grundsatzansprüche ablenken zu lassen. Eine notwendige Diskussion, im Spannungsfeld von Werteverfall und dem von den Elfenbeintürmen herunter beklagten Abhandenkommen von Visionen. Und das in Hellerau, wo man vor 100 Jahren angetreten war, Visionen quasi im Feldversuch zu testen.

(Steffen Kühn)

Infos / Bilder / Videosequenzen
www.bigartgroup.com
www.festspielhaus-hellerau.com

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