Weltreise durch Frauenherzen

Ein Internationaler Gesang mit der Formation „Aquabella” in der Moritzbastei

Tratschend treten fünf Marktweiber auf. Der Pope im Dorf hat’s faustdick hinter den Ohren, drei Geliebte soll er haben. Das wilde Gestikulieren des bunt gewandeten Quintetts mündet in ein gewitztes rumänisches Volkslied. Bereits mit dem Einstieg des Programms merken die Zuhörer: Auch Aquabella hat’s faustdick hinter den Ohren. Hier wird traditionelle Folklore nicht einfach brav gesungen, sondern geradezu vorgelebt. Mit witzigen Moderationen und Überleitungen führen die fünf Sängerinnen von einem Land ins nächste, Südafrika, Antillen, Amerika, Bulgarien, Deutschland, Irland sind nur einige der Stationen dieser musikalischen Weltreise. Nebenbei erfährt man noch etwas über das Balzverhalten der Spatzen und die Farbe sephardischer Eifersucht: Giftgrün mit einem Tropfen Herzblut.

„Nani Dschann“ (Liebe Mutter), ein altes armenisches Volkslied, hat diesem Programm den Namen gegeben. Eine junge Braut verabschiedet sich von ihrer Mutter, um zu ihrem Mann zu gehen. Diese und viele andere Szenen bilden den roten Faden des Abends: Fünf Frauen singen über Frauen aus aller Welt, über Freude, Trauer, Sehnsucht und Alltag. Besticht das Titellied durch seine traurige, schlichte Melodie und seinen verhaltenen Vortrag, so sprudelt in dem Kinderreim „Baxabene Oxamu“ aus Südafrika die Lebensfreude. Teilweise unterstützt die Gruppe ihren Gesang mit Perkussion, die sich jedoch nie in den Vordergrund drängt. Hier etwas Bongo, dort der klare Ton von Klanghölzern oder das feine Sirren der Fingerzymbeln, und schon entfaltet Aquabella ihren individuellen Klangzauber.

Ganz entscheidend zu diesem Zauber trägt die große stimmliche Wandlungsfähigkeit der fünf Sängerinnen bei. Sie beherrschen den typisch kehligen Gesang aus Bulgarien, intonieren feine orientalische Melismen und singen mit hellen Vokalen und breitem Lachen italienische Volksweisen. In jedem Lied spüren sie dem national-typischen Ausdruck nach, der sich in den Stimmen und teilweise auch in Choreographien widerspiegelt. Da finden sich Tanzelemente, aber auch etwas eigenwillige Bewegungen wie bei dem irischen Lied „Ta na bald“, das von Fischerfrauen handelt, die auf die Rückkehr ihrer Männer warten. Diese Choreographie erinnerte etwas an Taubstummensprache und lenkte zu stark von dem Gesang ab. Sehr gelungen hingegen sind die szenischen Interpretationen wie bei dem italienischen Ständchen „Maria, Mari'“, in der sich die fünf Damen hinter vorgehaltenem Fächer aufregen über eine unentschlossene Nachbarin, sie möge doch endlich auf ihren Balkon treten und den ewigen Serenaden ihres Verehrers ein Ende bereiten.

Aquabella, das sind Bettina Wildtraut, Gisela Knorr, Ulrike Siems, Bettina Stäbert und Claudia Karduck. Fünf Frauen mit enormem Stimmumfang, als Beispiel sei nur Claudia Karduck erwähnt, die sich mit ihrer tiefen, jazzigen Stimme ins Ohr der Zuhörer hineingesungen hatte, um beim letzten Lied solistisch in den höchsten Höhen als Koloratursopran zu überraschen. Seit ihrem Debüt 1999 bereichert diese A-Capella-Formation aus Berlin die Folk- und Weltmusikszene mit ihren erfrischenden Interpretationen traditioneller Folklore, aber auch mit Eigenkompositionen, wie der Ballade „Jerusalem“. Eine musikalische Weltreise, die süchtig macht.

Aquabella

Nani Dschann – Von Hochzeiten und anderen schlaflosen Nächten

Festival a capella

Moritzbastei, 3. Mai 2004

Mehr Informationen unter:

www.aquabella.net

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