Leipzig, schöne Belcanto-Stadt! Bellinis „Romeo und Julia” feiert Premiere (Sebastian Schmideler)

Vincenzo Bellini:
Romeo und Julia
I Capulettui e i Montecchi
Oper Leipzig
8. Mai 2004

Musikalische Leitung: Frank Beermann
Inszenierung: John Dew
Bühne: Thomas Gruber
Kostüme: José-Manuel Vazquez

Capellio: Ain Anger
Giulietta: Eun Yee You
Lorenzo: Tuomas Pursio
Romeo: Kathrin Göring
Tebaldo: Giorgio Cascarri
Chor der Oper Leipzig


Bellini, die Zweite: „Romeo und Julia“ im Belcanto-Zyklus der Oper Leipzig

Wenn es auch 117 Jahre gedauert hat, bis Bellini wieder auf einem Leipziger Spielplan stand, so scheint er doch nun endgültig an der Pleiße angekommen zu sein. Nach dem Start des Belcanto-Zyklus mit der farbenfrohen „Sonnambula“ im letzten Jahr, verhalf bei der Premiere am 8. Mai nun die tragische Seite des vielseitigen Italieners zu einem stattlichen Erfolg. Im alten Streit um „i Capuleti e i Montecchi“ verzückte eine gelungene Inszenierung das Publikum.

Dass dieser Abend so vielversprechend verläuft, ist das Ergebnis einer glücklichen Konstellation. Der sachliche Frank Beermann am Dirigenten-Pult diszipliniert das Gewandhaus-Orchester zu präziser Dynamik und reiner Klanglichkeit, wie man es auf dem Augustusplatz sonst eher nebenan gewohnt ist. Da stört es auch nicht wirklich, wenn es im Blech hie und da noch wackelt und im Forte bisweilen an Feinabtönung mangelt. Wie auf Flügeln des Gesanges wippen hingegen die Alberti-Bässe und leuchten die Bellinischen Melodiefunken, sodass die Sänger von den Instrumentalisten wie auf Händen getragen werden.

Das dezente Bühnenbild (Quader-Blöcke, die zu perspektivreichen und ausgeklügelten Raum-Kollagen montiert werden) spielt kontrastreich mit Schwarz-Weiß und sorgt ebenso wie die zurückhaltenden Kostüme (vorsichtige Renaissance-Zitate) für eine Atmosphäre, die ganz vom Schillern des Belcanto geprägt ist. Diese Reduktion des Theatralischen zugunsten des Musikalischen zeigt, wie mit wenigen Mitteln große Wirkung erzielt wird.

Musikalisch hat diese Inszenierung allerhand zu bieten. Eun Yee You gibt mit dem zarten Schmelz ihres Soprans eine Giulietta, die keine Wünsche offen lässt. Wie die Koloratur-Kaskaden in allen Spielarten perlen und variante Klangfarben in einem weiträumigen dynamischen Spektrum und in hochsensiblen Abtönungen oszillieren, verdient höchste Anerkennung. Die sängerische Leistung findet in der authentisch dramatischen Umsetzung dieser Rolle ihre Entsprechung.

Die Entdeckung des Abends aber heißt: Kathrin Göring. Kraftvoll und feinsinnig nuanciert gibt die Leipzigerin in ihrer ersten großen Titelpartie den Romeo und formt diesen Helden zu einer Gestalt zwischen Eros und wilder Leidenschaft. Im packenden Schluss gelingt ihr zusammen mit Eun Yee You ein sängerisches Einvernehmen, das sich hören lassen kann.

Auch die weiteren Titelpartien sind zum Teil sehr gut besetzt. Giorgio Casciarri drückt als Tebaldo zwar im ersten Bild zu sehr auf Pathos und illustriert seine Rolle wie ein Genremaler, fängt sich aber wieder und leistet im weiteren Verlauf Beachtenswertes. Zusammen mit Ain Anger als Capellio und Tuomas Pursio als Lorenzo, Giulietta und Romeo beeindruckt insbesondere das einprägsame Quintett dieser tragischen Oper, in welchem die Harmonien eine kunstvolle polyphone Einheit bilden.

Wird dieses Niveau weiter kultiviert und hält die Belcanto-Laune des Publikums an, wären drei Dinge zu wünschen: erstens, dass die Resonanz dieser Aufführungen über die Stadtgrenzen hinaus wirkt, zweitens, dass Bellini auch auf längere Sicht wieder eine Heimstatt an der Pleiße findet und drittens, dass Leipzig als kleine Belcanto-Hochburg des Ostens sein Repertoire weiterhin um diese Spielart bereichert.

(Sebastian Schmideler)

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