Ein Sakrileg!

Bachfest 2004: Bach – Reflections in Rock-Musik mit „Tassilo Männer“, „Mutation Bach“, „In the Nursery“ u.a..

Zum zweiten Mal organisierten die Verantwortlichen des Bachfestes einen rockigen Bachabend im Rahmen des Bachfestes, d.h., dass jungen Rockmusikerinnen und -musikern die Möglichkeit geboten wurde, dem Übervater der Musik mit ihren Mitteln zu huldigen und mithilfe von Sponsorengeldern extra für einen Auftritt willige und fähige Formationen zu bilden. Das Ganze nannte sich dann neudeutsch-peinlich „Bach – Reflections in Rock-Musik“ oder etwas lässiger „B.A.C.H. – Bach Alternativ Compositions on Historical Basics“. Könnte dennoch spannend werden, dachte man so für sich. Aber Pustekuchen …

Dabei begann der Abend eigentlich vielversprechend: der junge E-Gitarrist Tassilo Männer hatte eine überaus passable Combo zusammengestellt mit Bass, Schlagzeug, Keyboard und Violine. Das rockte ordentlich, besonders das h-Moll-Violinenkonzert! Virtuos und mit allen Wassern gewaschen führte Tassilo Männer vor, wie Bach auf einer sechssaitigen elektrisch- verstärkten Gitarre mit Delay, Distortion etc. klingen kann – den Meister hätte es gefreut!

Schade nur, dass es dem Gitarristen bzw. seiner Band die anderen nicht nachmachten. Gut, Mutation Bach – ein Zusammenschluss aus Musikerinnen und Musikern von so bekannten Bands wie Mila Mar, Inchtabokatables, Deine Lakaien, Subway To Sally und Keimzeit – hatten sich zwar vorgenommen einen nachdenklichen und tiefsinnigen Bach vorzustellen, aber mit Texten wie „Mama, Papa, mein Stofftier ist krank“ und ähnlich Skurrilem schlitterte die Mila Mar-Sängerin Anke Hachfeld irgendwie am Rande des Sinnhaften entlang – und stürzte ab.

Noch fragwürdiger wurde es, als das britische Duo In the Nursery aufspielte. Die Gebrüder Klive und Nigel Humberstone vollzogen eine sowohl klanglich als auch akustisch pathetische Bühnenshow. Neoklassische Breitwand-Keybord-Sounds plätscherten vor sich hin, hier ein kleiner Paukenwirbel, da eine von einem Gastmusiker gespielte simple Flötenmelodie. Wenn Bach diese dilettantische Musik gehört hätte, er wäre vor Lachen nicht in den Schlaf gekommen. Das Duo, das sonst auch Filmmusik produziert und schon mal ein Work-Out-Video von Claudia Schiffer akustisch untermalt hat, hätte bei seinen Leisten bleiben sollen.

Vollends rätselhaft geriet der abschließende Auftritt des Duos Hz. Die beiden Herren Ronan Harris (von VNV-Nation) und Joakim Montelius (von Covenant) nahmen hinter ihren Laptops Platz und spielten das Vorgefertigte ab: breite Keyboard-Flächen, leicht verfremdet und mit gelegentlichen Fiepsern und Sinustönen versehen, auch Future-Pop genannt. Dumm nur, dass die Laptops regelmäßig abstürzten. Das kommentierten die Herren ratlos gestikulierend und die Kabelanschlüsse prüfend. Na ja, eine Playback-CD hätte es auch getan, nur was hätten die Herren dann auf der Bühne tun sollen?

Kurzum, man hatte sich unter einem Rock-Konzert etwas anderes vorgestellt, noch am ehesten das, was Tassilo Männer und Co. boten. Nebenbei bemerkt gehört zu Rockmusik immer die obligatorische Gitarre. Die fehlte aber bei den übrigen drei Bands, so dass die Frage erlaubt sein darf, warum man die Veranstaltung unter dem Motto „Rock-Musik“ laufen ließ? In diesem Falle wäre „Pop“, oder meinetwegen „Future-Pop“ eine angemessenere Überschrift gewesen, aber ich will nicht gar zu kleinlich sein …

21. Mai 2004, Werk 2



Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.