Irische Kurzfilme beim 5. „Britspotting”- Festival (Julie Kaiser)

Britspotting 04 – 5th British and Irish Independent Film Festival

Shorts: Irish Focus: Pitch’n`Putt with Beckett’n`Joyce
naTo

22.Mai 2004Virtues Of A Sinner – John Corcoran, 8:00 min
Yu Ming Is Ainm Dom (My Name Is Yu Ming) – Daniel O’Hara, 13:20 min
The Unbearable – Ed Godsell, 1:47 min
Full Circle – Simon Fitzmaurice, 14:00 min
Petrol Country Blues – Gerry Leonard, 4:34 min
Innocence – Brendan Muldowney, 11:30 min
Storm – Clare Langan, 3:00 min
The Chalk Up – Frank Conway, 3:17 min
Undressing My Mother – Ken Wardrop, 6:15 min
Delphine – Nick Kelly, 3:30 min
Pitch ’n‘ Putt With Beckett ’n‘ Joyce – Donald Clarke, 2:30 min
Meeting Che Guevara And The Man From Maybury Hill – Anthony Byrne, 18:00 min

(Bilder: Yu Ming Is Ainm Dom)
Ein stürmischer Kurztrip nach Irland

Es ist ein kühler, regnerischer Samstagabend, Freisitze und Straßen sind menschenleer und wirken wie verlassene Kulissen. Nach und nach betreten etwa 40 klatschnasse Menschen den rettenden Hafen der naTo. Drinnen ist es laut und kerzenhell. Man trinkt Bier und unterhält sich über Filme, die man unbedingt noch sehen möchte. Vor dem Einlass, es ist etwa 20 Uhr, reiht man sich an der Kasse ein und eine Parallele zur folgenden Kurzfilmreihe drängt sich förmlich auf. Denn das wesentliche in all den gezeigten irischen Kurzfilmen sind die sehr unterschiedlichen, aber allesamt intensiv und zugleich zärtlich gezeichneten Charaktere.

Da wäre Yu Ming, ein junger Mann, der seinem tristen Alltag in China entfliehen will und nach sechsmonatigem Gälisch lernen nach Irland geht. Dort angekommen muss er feststellen, dass ihn niemand versteht. Der Regisseur O’Hara lässt seinen Helden durch stimmungsvolle Standaufnahmen irren und benutzt Bildfolgen von einem Detail zum anderen, um Atmosphäre zu schaffen. Dieser an japanische Mangas erinnernde Stil zusammen mit dem irischen tragisch-komischen Erzählmuster, das seine Wendung klischeegerecht in einem Pub ansiedelt, hat nicht zuletzt die Britische Botschaft überzeugt, die Yu Ming Is Ainm Dom (My Name Is Yu Ming) als besten Kurzfilm 2004 auszeichnete.

Überhaupt wird viel gelacht an diesem Abend, aber auch mitgezittert und Hilfe suchend um sich geblickt. Diese Emotionalität ist vor allem den exzentrischen Figuren zu verdanken, die von ketterauchenden Feen über schrullige Farmer bis hin zum zickigen Gevatter Tod reichen. Besonders die vielen weiblichen Charaktere der Kurzfilmreihe überraschen und regen an, das alte Bild vom katholischen, ländlich geprägten Irland zu überdenken. Die junge Delphine zum Beispiel dringt in die Welt der pubertierenden Jungen ein, indem sie im Musikgeschäft stur die wertvollste Gitarre zu spielen verlangt. Delphine, die dem Film den Namen gibt, lässt sich weder vom Verkäufer, einem eitlen Möchtegern-Kurt-Cobain, noch von ihrem unpraktischen grauen Rock der Schuluniform abhalten zu rocken, und spielt etliche schwer verdiente Fünfeuroscheine und Probestunden später das Konzert ihres Lebens.

Ähnlich eigensinnig ist Undressing My Mother. Ken Wardrops Blick auf seine nackte Mutter ist kompromisslos auf der Suche nach der Schönheit des Menschen. So gleichen die Bilder ihres nackten Körpers eher abstrakten Landschaftsfotographien als Rubensgemälden. In den rückblickenden Erzählungen der Mutter über ihr Leben zeigt sich die alte Frau gleichfalls offenherzig und verleiht dem Film damit eine ungewöhnliche Spannung zwischen Groteskem und Scham.

Viel verträumter und romantischer dagegen sind die Frauen in Full Circle und dem Abschlussfilm Meeting Che Guevara And The Man From Maybury Hill. Erstere scheint in ihrer Schwärmerei hilflos gefangen, und die einzige Hoffnung den Kreislauf zu durchbrechen, wäre sich selbst zu finden, was sich als schwierig herausstellt. Die andere junge Dame heißt Beth und liebt Sciencefiction. Als schließlich ihr Schwarm Che Guevara in Irland auftaucht, verschmelzen Wirklichkeit und Traum restlos miteinander. Mit perfekt gezogenem Lidstrich und der Mission Che zu retten, taumelt Beth durch eine schwarzweiße Kinowelt, von Regisseur Anthony Byrne aus original Nachrichtenfilmsequenzen und Horrorfilmcharakteren entworfen.

Nach eineinhalbstündigem Schnelldurchlauf des Irischen Kurzfilms der letzten drei Jahre ist der Zuschauer schließlich selbst wie Beth „lost in the fragile world of dreams“. Kein Wunder, dass viele Kinobesucher die sichere und lieb gewonnene Insel nicht gleich verlassen, sondern noch auf ein Pint bleiben.(Julie Kaiser)

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