Enten Variationen
30. Mai 2004
Neue Szene (Schauspielhaus Leipzig)
Regie: Enrico Lübbe
Autor: David Mamet
Darsteller: Dieter Jaßlauk (Emil), Berndt Stübner (George)
(Bild: Rolf Arnold / Schauspiel Leipzig)
„Sitz ich zu Hause, kann ich in den Park kommen.
Sitz ich im Park, gibt es nur einen Ort, wo ich hingehen kann,
nach Hause.“(Emil)
Alltägliches Geschnatter
Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr sitzen Emil und George auf ihrer Parkbank und beobachten Enten. Das ist nicht viel und doch alles, was beiden geblieben ist. Sie schauen auf den See, der einer Kloake gleicht und philosophieren über das einfache, gradlinige Leben einer Ente. Ihre Gespräche werden zu einer skurrilen Mischung aus ornithologischer Fachsimpelei, banalen Zeitungs-Anekdoten sowie den eigenen Sehnsüchten und schmerzvollen Erinnerungen. 14 kurze Episoden lang kann man ihnen über die Enten und das alltägliche Leben zuhören. Dabei lässt der amerikanische Autor David Mamet Wutausbrüche, kleine Lebensweisheiten, zärtliche Gesten und das Schweigen immer wieder kehren, und macht so die einsame Monotonie im Alltag der beiden Männer sichtbar.
„Es hat alles seinen Zweck“, betont Emil zu Beginn, doch scheinen beide ihre Zweckmäßigkeit in diesem Leben nicht mehr zu sehen. Einsam sind sie und dieses Gefühl treibt sie jeden Tag hinaus in diesen Park, zu dieser Bank, den Enten und dem anderen. Und da es wirklich nicht viel zu erzählen gibt, redet man eben über die Enten, schaut ihnen sehnsuchtsvoll hinterher und träumt mit ihnen von der Freiheit, das zu tun, was man will und dahin zu fliegen, wo es schön ist. Doch anstatt ihre Zweisamkeit zu genießen, streiten sich Emil und George die meiste Zeit. Man redet aneinander vorbei und wird wütend, weil der andere einem nicht zuhört. So philosophiert Emil über die Schönheit der Schwäne während sich George über das Sterben der Pandas im städtischen Zoo beklagt. Und wenn sie doch einander zuhören, dann nur um den anderen fertig zu machen: eine Ente edler als ein Falke, unmöglich, die Ente als Vorbild für andere Lebensformen, Unsinn. In diesen Momenten wird es laut auf der Bank, die Worte zischen und schnalzen umher, werden von Emil oder George empört hervorgepresst, immer mühsam darauf bedacht, ja nicht ausfällig zu werden. Das ist lustig und traurig zugleich. „Zwei alte, nutzlose Männer“, wie Emil einmal betont, die einander brauchen. Eine tragikomische Freundschaft, die ohne verbale Rührseligkeiten auskommt. Es sind die kleinen Gesten, die in diesem Stück so viel erzählen. Wenn beide nach einem Witz von Georg ganz nah beieinander sitzen und innig lachen, wenn Emil Georg zu Weihnachten ein Lebkuchenherz schenkt, dann kann man fühlen, wie wichtig beiden diese Freundschaft ist.
Dieter Jaßlauk und Berndt Stübner schaffen diese emotionale Gradwanderung zwischen Nähe und Distanz mit Bravour. Mal derb, mal fein pointiert verleihen sie ihren Figuren eine Mischung aus Tragik und Komik. Jaßlauk und Stübner verschmelzen mit ihren eigenbrötlerischen Figuren und zeigen mit jedem Wort, jeder kleinen Geste ein besonderes Gespür für deren Befindlichkeiten. Es ist herrlich anzusehen, wie sie in oft starrer Haltung, allein der Ausdruckskraft ihrer Stimme vertrauen. Da werden aus Worten präzise abgefeuerte, schmerzhafte Pfeilspitzen, die sich in ihr Gegenüber bohren. Eine Paraderolle für beide Schauspieler und ein Genuss für den Zuschauer.
(Diana Kluge)
Nächste Vorstellungen: 9.06. und 20.06.04
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