Solide Klanglichkeit

Das Sommerkonzert des Leipziger Opernchores in der Spielzeit 2003/04

Einmal im Jahr treten sie zwei Stunden lang in geschlossener Formation ins Rampenlicht: die 76 Damen und Herren des Leipziger Opernchores. In ihrem Konzert vom 29. Mai und 3. Juni überzeugten sie im gut besuchten Opernhaus als Professionisten und stellten eindrücklich unter Beweis, dass sie viel mehr sein können als nur eine singende Kulisse.

Denn was hier in einem populären „Best-of“- Potpourri aus „Carmen“, „La Traviata“, „Don Carlos“, „Aida“, „Freischütz“ und „Tannhäuser“ geboten wurde, war sicher intoniert, homogen und kraftvoll ausgesungen. So hatten die von Chorleiter Anton Tremmel bestens einstudierten Interpretationen des Opernchores Hand und Fuß. In den durchgehend groß angelegten Szenen zeichneten die Sängerinnen und Sänger vor allem monumentale Bauprinzipien musikalischer Chorarchitektur des späten 19. Jahrhunderts in klarer Linienführung nach. Mit viel Pathos und Suggestivkraft spannte der Chor von Wagner und Verdi gemeißelte Brücken, Kuppeln und Bögen auf, die Handwerkszeug wie stimmliche Kraft, langen Atem und vor allem Ausdrucksvermögen für massige dynamische und rhythmische Wucht erforderten. Dieses anspruchsvolle Pensum bewältigten die Damen und Herren beachtlich.

Die Programmzusammenstellung rangierte aber nichtsdestotrotz zu sehr am Ende des Alphabets: Verdi, Wagner, Weber verliehen dem Arrangement eine kühne Massivität, die – nicht nur mit Bizet – sondern auch durch etwas Leichteres von Bellini oder Berlioz aufgelockert worden wäre. Ein Beispiel aus einer Belcanto-Oper hätte als genretypisches Gegengewicht zur schweren Last der Spätromantik überdies als weitere wichtige Facette des Opernchorgesangs im 19. Jahrhundert eingebaut werden können. Immerhin bewies die Interpretation des Jägerchors aus „Freischütz“ – romantisches Meisterstück des Abends – das Gespür des Chores für dynamische Schattierungen und feinsinnige Nuancen.

Unter der musikalischen Leitung von Gregor Bühl spielte im Gewandhausorchester hingegen die erste Geige, manchmal die zweite. Die Ouvertüren waren zwar meist tadellos vorgetragen, doch sprang der Funke nicht immer über. Denn es fehlte dem Orchester an diesem Abend (3. Juni) bisweilen an Leidenschaft und Ausstrahlung, ohne die Opernmusik nur die Hälfte wert ist. Den Schnitzer im Blech (Aida-Trompeten) verzeiht man gern. Doch das dynamische Problem der Feinabstimmung im Zusammenspiel mit dem Chor war virulent. In langsamen, elegischen, melodisch weit ausholenden Passagen glänzte das Gewandhausorchester indessen zusammen mit dem Opernchor in seinen besten Farben.

Alles in allem muss man zugeben: Einiges (Jägerchor aus „Freischütz“, der sehr suggestiv interpretierte Pilger- und Schlusschor aus „Tannhäuser“) war ausgezeichnet. Aber das heißt nicht, dass alles andere kritiklos hingenommen werden kann. Auch wenn am Ende vermutlich nur eines zählt: Den Leuten gefällt’s.

Sommerkonzert des Opernchores Leipzig

Leitung: Anton Tremmel

29.5.2004 / 3.6.2004, Oper Leipzig

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.