Buchempfehlung: Sandra Luchsinger: Paolos Glück (Babette Dieterich)

Sandra Luchsinger:
Paolos Glück
Eine Geschichte zum Weinen

32 Seiten, gebunden, farbig illustriert
Atlantis Verlag, 13,90 Euro
ab 5 Jahren

Glückstränen

Wo Paolo Pianginos Tränen hinfallen, wachsen rote Blumen. Er ist ein glücklicher Mann, denn er weint viel. Egal, ob die Geschichten, die er liest, traurig oder fröhlich enden, er weint. Egal, ob er den Stadtpark von oben oder von unten betrachtet, er weint. Mal sind seine Tränen Trost, dann wieder steigern sie sein Glück. Die vielen roten Blumen bleiben natürlich nicht den übrigen Menschen in der Stadt verborgen. So wird Paolo berühmt, alle wollen etwas von seinem Glück abhaben. Er weint in Kinderwägen, auf Straßen, in bereit gehaltene Eimer. Doch die Blumen verwelken, als es Paolo zuviel wird und er sich in seine Wohnung zurückzieht. Da ködert ihn die Stadt, der Stadtpräsident ernennt ihn zum Blumenkönig, sein Weinen wird ein offizieller Auftrag. Paolo kann sich vor Fotografen nicht mehr retten und macht sich aus dem Staub. Wohin, das lässt die Geschichte offen. Und die Leute? Fangen vor Trauer bitterlich an zu weinen. Und plötzlich sprießt da etwas aus dem Boden, wo die Tränen hinfallen…

Dieses zauberhafte Kinderbuch ist ein klares Plädoyer für alle leisen Töne, die in der Hektik des Alltages gerne untergehen. Die Tränen sind ein leises Glück, kein Event, das sich durch die Medien ausschlachten lässt. Und es ist ein Plädoyer dafür, seine Gefühle zu zeigen. Gerade das Weinen ist nach wie vor negativ besetzt. Wenn jemand weint, soll er doch bitteschön schnell damit aufhören. Doch die Geschichte von Sandra Luchsinger zeigt, dass das Weinen ein fruchtbarer Prozess ist, der etwas in Gang bringt und verändert. Und die Geschichte zeigt auch, wie unterschiedlich die Tränen sind, ein ganzer Regenbogen von Trauer, über Mitleid bis Freude.

Sandra Luchsinger wurde 1971 geboren und absolvierte auf dem zweiten Bildungsweg die Hochschule für Gestaltung und Kunst Luzern im Bereich Visuelle Kommunikation, mit dem Schwerpunkt Illustration. Heute ist sie als grafische Gestalterin in einer Medienagentur fest engagiert und lebt in Zürich. „Paolos Glück“ ist ihr erstes publiziertes Bilderbuch, mit dem sie gleich den Schweizer Bilderbuchpreis 2003 gewonnen hat.

Neben der schönen Geschichte, die sowohl Kinder als auch Erwachsene berührt, haben dazu bestimmt auch die eigenwilligen Illustrationen beigetragen. Sie sind wohltuend weit entfernt vom braven Kullerkopf-in-Bonbonfarben-Stil. Der Umrissstrich der Figuren ist lebendig, variiert in seiner Dicke und erinnert teilweise an Linolstich. Die Figuren haben alle liebenswerte Charakterköpfe, ohne süßlich oder gefällig zu sein. Die Farben sind kühl und zurückgenommen, einzig das Rot der Tränenblumen leuchtet hervor. Die Bilder sind nie überladen, lassen viel Raum, auch für Interpretationen. Kleine Details, die den Kindern natürlich schneller ins Auge fallen als den Erwachsenen, sorgen auf jeder Seite für Spannung und Gesprächsstoff. So entfaltet das Buch über die erzählte Geschichte hinaus seine Wirkung, sorgt für Fragen und Anregungen.

(Babette Dieterich)

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