Schwarzer Peter der Filmförderung

Der 4. Leipziger Kulturpolitische Salon zum Thema: „Deutsche Filmförderung – europäische Perspektiven“

Mit Podiumsdiskussionen ist es immer so eine Sache. Die Namen der Gäste versprechen viel – fast immer ist sogar ein kleiner Star darunter, und allein das lohnt sich. Aber letztlich ist man dann doch eher enttäuscht, dass Diskussionen nur entfacht und nicht weiter gesponnen wurden oder gar an ein Ziel gelangten. Man gesteht sich ein: Podiumsdiskussion bedeutet bestenfalls Fronten klären. Aber, zu welchem Problem eigentlich?

Die kleine Leipziger Arbeitsgruppe der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. lud nun bereits zum vierten Mal seit September 2003 zum Kulturpolitischen Salon ins Konzertfoyer der Oper ein. Die 20 Leipziger, darunter Studenten, Wissenschaftler, Journalisten sowie Mitarbeiter der Kulturverwaltung, der Museen und der Oper, wollen die kulturpolitische Diskussion in der Stadt anheizen und die kontroversen Debatten der Kulturförderung inspirieren. Der bundesweite Zusammenschluss der Kulturpolitischen Gesellschaft macht bereits Nägel mit Köpfen: Zusammen mit dem Deutschen Kulturrat betreibt er den Cultural Contact Point (CCP), der kulturpolitische Entwicklungen und Förderkonzepte auswertet und diese Informationen an die Kulturverbände in Deutschland weitergibt. Daneben ist der Verein Träger des Instituts für Kulturpolitik und Herausgeber der Zeitschrift „Kulturpolitische Mitteilungen“. Eine Institution also, von der man sich viel verspricht, wenn es wie diesmal um das Thema geht: „Deutsche Filmförderung – europäische Perspektiven“.

Für die Moderation wurde kein geringerer gewonnen als Jörg Taszman, erfahrener Filmkritiker und -publizist aus Berlin. Seine Mitstreiter: Manfred Schmidt von der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), Simone Baumann von der L.E.Vision Film- und Fernsehproduktion GmbH, Gabriele Brunnenmeyer, ebenfalls von der MDM und anwesend als Vertreterin des EU-Förderprogramms MEDIA Antenne Berlin-Brandenburg, Claas Danielsen, der junge und neue Leiter des Leipziger Dokfestivals, und Lutz Dammbeck, gefürchteter Allroundkünstler aus Hamburg, vor langer Zeit Absolvent der Leipziger HGB, und auf dem letzten Dokfestival mit seinem Film Das Netz vertreten.

Erfolgloser deutscher Film

Warum bedarf die deutsche Filmförderung überhaupt einer Diskussion? Manfred Schmidts Einführungsstatement ließ es erahnen. Die Struktur der deutschen Filmförderung ist alles andere als übersichtlich. Bundesweite Förderprogramme stehen neben regionalen Institutionen wie der MDM, und diese „konkurrieren“ gar oftmals miteinander. „Fördertourismus“ nennt man das. Wenn’s in Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen nichts zu holen gibt, macht vielleicht Nordrhein-Westfalen was locker – irgendwo wird’s schon klappen. Alle Institutionen variieren in ihren Förderprogrammen und -bedingungen. Und dann findet sich auch noch Förderung auf europäischer Ebene und last but not least durch die Fernsehsender, besonders durch die sich dazu verpflichtenden öffentlich-rechtlichen. Am meisten Sorge bereitet, dass der deutsche Film in den letzten Jahren im eigenen Land nur einen Marktanteil von 8-18 % ausmachte. Das ist umso verwunderlicher, als dass die Fördersumme für Film mit gut 200 Mio. Euro jährlich dem Etat aller drei Berliner Opernhäuser entspricht. Taszman brachte es auf den Punkt: Wo in Deutschland jährlich 200 Mio. Fördergelder im Jahr 2003 18 % Marktanteil ausmachten, erbringt der tschechische Film mit läppischen 2 Mio. Euro im eigenen Land einen Marktanteil von satten 25 %. Man habe in Tschechien eben aus der Not eine Tugend gemacht und setze wegen der ohnehin stets knappen Filmfördergelder auf eine Qualität, die dem tschechischen Film aktuell zu einer ungeahnten Renaissance verhilft mit Anklängen an die international renommierten Filme der 60er Jahre wie die eines Milos Forman. Seit den vergangenen 15 Jahren hat der tschechische Film daher ebenso viele Oscar-Nominierungen zu verzeichnen wie Deutschland trotz einem Hundertstel der Filmförderung. An irgendetwas scheint es ihm also zu mangeln, dem deutschen Film. Längst ist diese trübe Feststellung aber zeremonielles Klagelied endloser (Feuilleton-) Debatten geworden, die oftmals mit einem neidischen Blick nach Frankreich enden, wo Film einen ganz anderen Stellenwert einnehme.

Wie etabliert man deutsche Filmkultur?

Wie also etabliere man eine deutsche Filmkultur, fragte Taszman gewagt. Die Antworten aber kamen kaum über den eigenen Tellerrand hinaus und versuchten wenigstens der Frage nahe zu kommen, was ein bisschen besser gemacht werden könnte. Der Künstler Dammbeck wünschte sich, dass der „Förderdschungel“ gelichtet werde. Die Produzentin Baumann bemängelte die vernachlässigte Förderung des jungen, experimentellen Films. Und der Förderungsinstitutions-Chef Schmidt, der fleißig alle Angriffe abwehrte, schob den Schwarzen Peter den Filmhochschulen zu, die neben ihrer künstlerischen Ausbildung viel zu sehr die Produktionsphase vernachlässigen würden. Schmidt selbst sieht eher ein Problem darin, dass es für viele Förderangebote der MDM überhaupt keine Nachfrage gäbe. Das klang auf Seiten des Publikums aber anders, unter dem auch viele junge Filmemacher vertreten waren, die stattdessen über fehlende Förderung klagten. Andere Publikumsbeiträge zielten auf ein mögliches Ungleichgewicht in der Verteilung: Kassieren große Produktionen wie Luther oder Good bye, Lenin! womöglich so viel, dass für unrentablere, dafür aber künstlerisch anspruchsvolle Filme nichts mehr übrig bleibt? Schmidt verneinte das natürlich und plädierte vielmehr für eine „ausgeglichene“ Verteilung zwischen großen und kleinen Produktionen, betonte aber, dass tatsächlich der Aspekt des Erfolges nicht außer Acht gelassen werden dürfe und ergänzte, auch Dokfilm könne Erfolg haben. Das provozierte natürlich den Dokumentarfilmer Dammbeck, der quasi von einer ‚Michael-Moorisierung‘ des Dokfilms sprach – der Tendenz, subjektiver, inszenierter und oberflächlich unterhaltender zu werden – so wie auch Bowling for Columbine, der „ein ganz schlechter Film“ sei.

Als Claas Danielsen über seinen „Discovery Campus“ berichtete, ein Projekt, das jungen Filmemachern mit ersten Referenzen Fortbildung bietet, dann war das schon ein positiver Ausblick – vor allem, als er von seinen Plänen erzählte, dem Leipziger Dokfestival ein „Dok-Campus“ anzugliedern. Aber eine Diskussion über Lösungsmöglichkeiten mit und durch „europäische Perspektive“, wie das Programm für diesen Abend versprach, blieb leider aus. Immerhin ließ sich erkennen, wer wo steht und wo die Fronten liegen. Eine strikter koordinierte Moderation hätte den in alle Richtungen weisenden Überlegungen aber vielleicht noch einige Antworten mehr abgewinnen können. Diskussionen überhaupt erst einmal zu initiieren, das ist der erste Schritt zu einer Problemlösung. In dieser Hinsicht ein inspirierender Abend – von denen der Kulturpolitische Salon bald noch einige mehr bieten möchte.

4. Kulturpolitischer Salon
„Deutsche Filmförderung – europäische Perspektiven“

Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung
Oper Leipzig, 1. Juni 2004
www.kulturpolitischer-salon.de


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.