„Respekt für den Jungen aus Manchester!“

CD-Empfehlung: „Perverted By Mark E. – A Tribute to The Fall“

Einen okayen Text über Mark E. Smith zu schreiben ist heutzutage fast unmöglich. Erstens gibt es Musik, und die von Mark E. Smith zählt dazu, deren Wirkung und Bedeutung mit Worten nicht einmal ansatzweise transportierbar ist; und zweitens müsste ein Text über Smith ohne Wörter wie „zynisch“, „genial‘, „verrückt“, „independent‘ und viele Fragezeichen auskommen, denn von solchen Texten über ihn gibt es mehr als genug. Leider bräuchte man aber ungefähr diese Wörter und Unmengen von Fragezeichen, um ein zumindest schemenhaftes Bild dieses Mannes zu zeichnen. Zum Glück soll es aber hier nur indirekt um Mark E. Smith gehen, weshalb auch nur ein kleiner Absatz direkt von ihm handeln wird.

Mark E. Smith macht Musik. Er kommt aus Salford, England, und hat 1977 eine Band namens The Fall gegründet, die es heute noch gibt. The Fall ist für Fans eine Legende und für Nicht-Fans eine Qual, und zwischen Fan und Nicht-Fan gibt es hier nichts. Die Musik hat mit Rock, Anti-Rock, Punk und Postpunk zu tun. Der Bandname spielt auf Albert Camus‘ Roman „Der Fall“ an, für den der Schriftsteller 1957 den Literatur-Nobelpreis bekam. Und: „Mark E. Smith is the exceptant to the rule that most men with middle initials are idiots: Richard M. Nixon, Ronald B. Schill, Johannes B. Kerner. Very few woman’s names include a middle initial.“

Die letzten zwei Sätze beweisen, dass hin und wieder doch gut über Smith geschrieben wird. Sie sind dem Booklet der Doppel-CD „Perverted By Mark E. – A Tribute To The Fall“ entnommen, und die allerbesten Sätze, die es nur geben kann über Smith, finden sich in den 29 Liedern auf dieser Doppel-CD, welche so entstand: Die Band Woog Riots aus Darmstadt kam beim Barbecue auf die Idee, The Fall ein Denkmal zu setzen. Aber nicht das übliche Covern-fürs-Bankkonto war angedacht, sondern neue Lieder über Mark E. Smith und The Fall, komplette Neu-Interpretationen der Fall-Songs und natürlich auch der Versuch, doch wenigstens ein bisschen so zu klingen wie das Vorbild selbst. Und so sind 25 der Tracks exklusiv für „Perverted By Mark E.“ – der Titel referiert auf das Fall-Album „Perverted By Language“ – enstanden; das Ergebnis ist ein musikalischer Antistarschnitt in 29 Teilen, ehrlich und unverzerrt und doch oft überraschend.

Man könnte jetzt zu jedem der Songs lange Texte schreiben. Die nettesten Sätze zitieren (Rockformation Diskokugel: „Respekt für den Jungen aus Manchester, Hut ab für den Jungen aus Salford, three cheers for the Salford lad!“; Tocotronic: „Ich habe geträumt, ich wäre Pizza essen mit Mark E. Smith – natürlich hat er mir erzählt, wie scheußlich alles ist. Wir haben geredet und gesessen fast die ganze Nacht – am Ende hat er mir erzählt, wie man Platten macht.“) oder die besten Coverversionen loben (zum Beispiel die „Choc-Stock“-Interpretation von Jowe Head, der übrigens auch das Bild fürs Cover der CD malte); man könnte die sympathischsten Bands küren (Woog Riots empfiehlt sich allein schon durch die Idee und Planung des Samplers, Les Sourires Trompeurs durch ihre konsequente „th“-Verweigerung, wodurch „Smith“ wie „Suisse“ klingt) oder die gelungenste Musik (Barbara Manning & The Go-Luckys! hören sich an wie Ween zu ihren besten Zeiten, während „Oh! Brother“ durch Like a Stuntman zum Klassiker werden könnte); und schließlich könnte man die originellsten Ideen würdigen (Egoexpress wäre da ganz vorn mit dabei mit der Reduzierung der Musik auf einen titschenden Mini-Beat; oder The Container Drivers, die in ihrem Lied alle Ex-The Fall-Mitglieder aufzählen, was ziemlich viele sind, da Mark E. Smith seine Band nach dem Auswechslungsprinzip generiert – er selbst bleibt, während er die anderen Musiker alle paar Monate/Jahre rausgeschmeißt und ersetzt). Man könnte aber auch die CDs hören, sich selbst eine Meinung bilden und seine eigenen Highlights festlegen. Das ist zu empfehlen.

Die meisten Bands würden, widmete man ihnen einen solchen Tribute-Sampler, überflüssig, könnten ihre Gitarren ein für allemal zertrümmern und ihre Nachfolge den Sampler-Beteiligten überlassen. The Fall wird nicht überflüssig, Mark E. Smith erst recht nicht, und Perverted By Mark E. dürfte ihm gut gefallen – in den Worten von The Fall: „Who would suspect this? It is too obvious!“

Perverted By Mark E. –
A Tribute To The Fall

Label: ZickZack

Vertrieb: Indigo

Doppel-CD

Release: 3. Mai 2004

Bilder:
Album-Cover, Food Chain von Jowe Head
Woog Riots, Idee und Konzept für Perverted By Mark E.

Tracklist:

CD 1
01. Knarf Rellöm & DJ Patex with Phil Hayes – How I Wrote Mark E. Smith
02. Jowe Head – Choc-Stock
03. Woog Riots – Mark E. Smith & Brix
04. Barbara Manning & The Go-Luckys! – Paintwork
05. The Container Drivers – The Ex-Members of The Fall Club
06. The Creeping Nobodies – Wings
07. Les Sourires Trompeurs – Pervertis par Mark E.
08. Like a Stuntman – Oh ! Brother
09. Preston School of Industry – Mere Pseud Mag. Ed.
10. The Hector Collectors – Spectre vs. Hector
11. Locust Fudge – Cannibal Man
12. Rockformation Diskokugel – The Salford Lad
13. The Black Eyed Snakes – My New House
14. Chris Brokaw – Bill is Dead

CD 2
01. Tocotronic – Ich habe geträumt, ich wäre Pizza essen mit Mark E. Smith
02. I, Ludicrous – I’ve Never Been Hit By Mark E. Smith
03. The Barcelona Pavilion – C.R.E.E.P.
04. Jeffrey Lewis – The Story of The Fall
05. Chris Cacavas – Totally Wired
06. Doc Schoko – Life Just Bounces
07. No Existe – Mark E.
08. Michaela Melián – Fallen
09. Boy Division – U.S. 80’s-90’s
10. S.Y.P.H. – Fiery Jack
11. Viva Las Vegas – 8 p.m.
12. Chris Knox – Hip Priest
13. Klaus Walter – Ich habe geträumt, ich wäre Neckermann quälen mit Mark E. Smith
14. Gerald Wrede – Bremen Nacht
15. Egoexpress – Tribute to The Fall

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