Goldonis „Diener zweier Herren” im Leipziger Sommertheater (Carolina Franzen)

„Diener zweier Herren“ nach Carlo Goldoni
Regie: Wolfgang Engel
17. Juli 2004
Gohliser Schlößchen (Schauspielhaus Leipzig)


Die Welt hat sich weitergedreht. Das hat sie doch, oder-

Es war einmal ein Langzeitstudent, der nannte sich Carlo Goldoni. Dieser lebte von Geburt (anno 1707) an in Venedig. Er studierte Jura, wie es sein Vater wollte und arbeitete in Kriminalkanzleien. Doch dann drehte sich die Welt ein kleines Stück und kurz nach seinem Doktorexamen war er, kaum dass er sich versah, hoch verschuldet und hatte einer Südländerin zu voreilig sein Versprechen gegeben. Die Schlinge um seinen Hals wurde immer enger, denn sowohl der Schuldner als auch das Mädchen drängten ihn zu handeln. Goldoni aber fühlte sich eingeengt und so wälzte er seine Gedanken, wie er diese zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könne. Die Welt ruckte ein zweites Mal, Goldoni floh nach Mailand, ließ die Anwälte Anwälte, die Frauen Frauen und die Schuldner Schuldner sein und wurde international berühmter Künstler. Und wenn er nicht …

Nein, kein Märchen. Bereits über zweihundert Jahre tot und immer noch aktuell, Carlo Goldoni wie auch seine Stücke. Im Gohliser Schlösschen wird derzeit sein berühmtestes Werk, die Komödie „Der Diener zweier Herren“ (Il servo di duo patroni) open-air vom Schauspiel Leipzig aufgeführt.

In dem Zweiakter reist Beatrice Rasponi, verkleidet als ihr „toter und gestorbener“ Bruder Federigo Rasponi nach Venedig. Sie will sich dessen Geldgeschäfte auszahlen lassen, um dann mit ihrem Geliebten zu verschwinden. Auf ihrer Reise nimmt sie den immer hungrigen Vagabund Truffaldino zum Diener. Florindo, Beatrices Liebe, ist ebenfalls auf dem Weg nach Venedig – auf der Flucht. Er ist der Mörder von Beatrices Bruder, denn dieser stand den Liebenden im Weg. Während Beatrice und Florindos Welten sich zufällig nicht begegnen, kreuzt Truffaldino bald Florindos Wege und lässt sich auch von diesem in Dienste nehmen. Truffaldino, nun der Diener zweier Herren mit der Aussicht auf doppelte Mahlzeit und doppelten Lohn, scheint vorerst ein gutes Geschäft zu machen. Aber so geschickt er sich um sein leibliches Wohl bemüht, so ungeschickt verstrickt er seine Herren in die Affären des Anderen. Die neun Charaktere leben eine Welt der Verwechslung und Truffaldino inszeniert seine Unschuld mit viel Glück und Fantasie bis zum letzten großen beinahe-Doppelmord-aber-dann-doch-noch-Happy-End.

Regisseur Wolfgang Engel verbindet mit Anspielungen und fantasievollen Einfällen erfolgreich das Damals und das Heute. So kämpft Florindo als Matrix-Morpheus in Ledermantel und mit Sonnenbrille. Smeraldina ist nicht nur eine Zofe, sondern eine kleine, verführerische Emanze. Engel lässt seine Schauspieler italienisch singen, tanzen und natürlich spielen, was Goldonis Charaktere hergeben. Selbst in der Pause ist charmant für Unterhaltung gesorgt – „Sie sind herzlich auf die Spaghetti von Wirt Brighella eingeladen.“
Leider werden aber gegen Ende des zweiten Aktes die Pointen flacher, teilweise sogar mehrfach ausgereizt und auch der Star Truffaldino erinnert in seinem Bemühen an eine Vorstellung in der Manege, wenn er zum dritten Mal das Essen dem falschen übergibt, den falschen Brief aushändigt und den „Puddeling“ selber isst. Ein bisschen weniger Klamauk am Schluss, dafür mehr von dem herzlichen Witz am Anfang, hätte dem Stück bestimmt nicht geschadet.

Dabei kann und sollte der überzogene Schluss nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der Premiere viel gelacht, genossen und mitgeeifert wurde. Dass sich ein Sommerabend vor dem wunderbaren Ambiente des Schlösschens lohnt und der Zuschauer nach anderthalb Stunden gewillt ist, für die letzte Viertelstunde ein Auge zuzudrücken und…

…nun ja. Das wäre eigentlich der Absatz, in dem ich galant einen Übergang zu meinem Anfang finden sollte; aber wie, wenn schon verraten ist, dass hier kein Märchen gespielt wird und das freizügiges Leben Goldonis bereits gezeichnet ist. Es bleibt nur zu raten: geben Sie ihrer Welt einen kleinen Ruck, drehen Sie sie zweihundertfünfzig Jahre zurück und drücken Sie Anno 2004 die Gohliser Theaterbank.

(Carolina Franzen)

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