Das neunte Internationale Musikfestival Höfgen-Kaditzsch steigt im Muldetalkreis
Ein Klangspaziergang sollte es werden, bei Nacht, durch den Juttapark. Das klang verlockend und spektakulär ebenfalls. Am lauen Sommerabend des vierten Septembers fanden sich ca. 150 Menschen ein und erhielten an der Denkmalschmiede in Höfgen-Kaditzsch zur Performance „Soundscape & Shadow“ bereits am Eingang einen fluoreszierenden Stern. So wurde das Publikum mit einbezogen, als die Gruppe „Sächsisches Improvisationsensemble“ im Innenhof des Kaditzscher Gutes zu spielen begann.
Mit „Musik ohne Vorgaben, auf der Suche nach einer gemeinsamen Sprache“, öffneten sie „klangliche Perspektiven jenseits eingefahrener Hörererwartungen“. Gitarre, Akkordeon, Perkussion, Klarinette, Cello, Trompete und Baß (später Tuba) sollten uns dann nicht nur in diesem Stück, sondern noch den ganzen Abend begleiten.
Mit einer „Audioballerina des Künstlers Benoît Maubery“ trat später das Cello in ein Zwiegespräch. Oder in ein Selbstgespräch. Denn die Ballerina trug einen Rock, mit welchem man elektro-akustisch Geräusche sampeln und teilweise verändert wiedergeben konnte. So spielte die Cellistin im Dialog mit ihren eigenen, nun aber gepitchten Melodien, welche oft abrupt abbrachen. Durch ihre modulierenden Bewegungen, lud uns die Ballerina ein, ihr in Richtung Ausgang zu folgen.
Ein „klingender Fackelzug“ machte sich nun auf, auf dem Kilometer zum „Juttapark“ zu lustwandeln. Eine romantisch-irritierende Stimmung kam auf, da sich die Solisten einzeln am Wegesrand platziert hatten und mysteriöse Klänge spielten. Die Ballerina nahm nun einige dieser Klänge auf und vermischte den Sound des Spaziergangs. Die Einwohner des Ortes mussten wohl ein sehr skurriles Bild von der Szenerie haben, ganz zu schweigen von den durchreisenden Fahrzeugen.
Im Park angekommen, stand der Zug nach dem Löschen der Fackeln in der Dunkelheit. Dann erkannte man die Kerzen, welche liebevoll an allen Wegen entlang aufgestellt waren. Von Pantomimen geleitet, trat man einzeln durch einen weißen Vorhang, welcher eine Zäsur im bisher Erlebten darstellte. Das Auge fiel auf eine bunte Lichtinstallation. Als eine Art leuchtende Steine begleitete sie ein Stück des Weges zum „Sensivuum“.
Dies ist ein Klanginstrument von Erwin Stache, das aus vier sensitiven Flächen besteht, welche mit einem Rechner verbunden sind. Mit seinen Handflächen nähert sich Stache den Flächen und erzeugt damit Klangschichtungen und Tonleitern. Das Instrument erinnert an ein Theremin, aber die Flächen reagierten auf Lichteinfall. Beindruckend war, wie Stache „Belichtungskarten“ einsetzte oder durch das Löschen und Anschalten seines Lichtes Klanggebirge erschuf und zum Einsturz brachte.
Als er unter großem Beifall seine Darbietung beendete, tauchten im Wald grüne und rote Lichter auf. Verkleidete Gestalten mit selbstgebauten Tröten aus abgesägten Flaschen mit Gaffaband zogen vorüber. Irritiert ging das Publikum den Weg weiter zum Zierteich, welcher mit Kerzen und Papierblumen übersäht war. Ein geeigneter Ort für eine kurze Entspannung und zur Reflexion des bisher Erlebten.
Nächste Station war ein Lagerfeuer, halb umringt von Schülern der „AG Klangexperimente Brandis“. Jemand gab durch das Rufen ihrer Namen das Signal, um mit dem Dribbeln eines Tischtennisballs auf einem Holzbrett zu beginnen oder aufzuhören. Daraus ergab sich ein rhythmisch pikanter Klang-Mix, da sich jeder Ball anders anhörte. Im zweiten Stück klatschten Handflächen auf Pappkartons, rhythmisch geprobt. Diese gingen anschließend, rhythmisch zerrissen, in den Flammen auf.
Eine Besonderheit des Parks ist ein gepflasterter „Klangkreis“, in dessen Mitte man seine eigenen Geräusche von allen Seiten reflektiert hört. Besonders reizvoll, wenn man ein eigenes Instrument dabei hat oder singt. Dieser Effekt war den Zuschauern leider nicht vergönnt, denn im Zentrum standen ca. 10 Stangen. Dazwischen hatten sich Akteure der AG aufgestellt. Durch die gleichzeitige Berührung zweier Stangen wurde ein Kontakt hergestellt, welcher über Midi und Elektronik mit einem bestimmten Sound gekoppelt war. Daraus ergab sich wieder eine unglaubliche Klangfülle.
Von den Kerzen geleitet wurde der Weg durch den Park fortgesetzt. Es erflammten auf einmal vier Scheinwerfer in der Dunkelheit, dahinter erschienen vier „Audioballerinas“. Diesmal sampelten sie nicht, sondern hatten eine Art Synthesizer an ihren Plast-Tütüs. Durch ihre Bewegung zum Licht und die „controllenden“ Hände entstand eine fietschend-kreischende Atmosphäre in Verbindung mit grazilen Bewegungen. Im Ohr begannen sich Interferenzen zu bilden und es ging hart an die Schmerzgrenze.
Zum nächsten Programmpunkt führte eine Audioballerina, welche die Anwesenden mit ihren geschmeidigen Bewegungen entlang der Allee zum Turm verzauberte. Der Weg führte entlang von Scheinwerfern, die als Stimulusquelle der Apparatur fungierten.
Nun kam der über Eck gestellte dreigliedrige Vorhang zum Einsatz. Schattentheater von der Gruppe „Anasages“ wurde geboten. Eine Theaterform, welche in unseren Breiten wenig bekannt ist, aber eine besondere Faszination hervorruft. Besonders viel wird mit Lichteffekten gearbeitet, welche von hinten auf die Leinwand projiziert werden.
Mit einem aufleuchtenden Wald endete dieser überaus impressionistische Spaziergang durch den Juttapark. Ich kann jedem empfehlen, diesen einmal zu besuchen, da es dort das ganze Jahr über Installationen verschiedenster Künstler zu betrachten gibt, welche zum Teil eine Interaktion mit dem Betrachter ermöglichen.
IX. Internationales Musikfestival Höfgen-Kaditzsch (Muldetalkreis) „WAS HöREN WIR“
Performance „Soundscape & Shadow“
4. September 2004
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