Als Silence: Silence, Silence ist die Sammlung Wilfried und Astrid Rugos zu sehen
Kennen Sie das? Sicher, Sie kennen das auch. Man geht in eine Ausstellung, beschaut sich die Objekte, Bilder, was auch immer… und kommt zu der Einsicht, dass man das eine Ausstellungsstück „richtig toll“ findet, ein anderes „so lala“, ein weiteres „eher mäßig“. Das ist normal. Glauben Sie mir! Da geht es den Hunden wie den Katzen – um’s metaphorisch auszudrücken. Die neue Doppelausstellung in der Galerie für Zeitgenössische Kunst bietet so gesehen nichts Neues, aber wer hört schon noch auf das Gequatsche vom ewig Neuen. Mal ehrlich, wann haben Sie das letzte mal etwas wirklich Neues gesehen?
Der Architekturprofessor Peter Kulka jedenfalls, der übrigens das Haus, in dem er jetzt ausstellt, gleich selbst architiert hat, und noch dazu mit Auszeichnung (der Stadt Leipzig), eröffnet dem geneigten Betrachter einen Blick in sein Oeuvre. Kulka ist alles andere als eine Metaphernmaschine, wie Sie vielleicht ängstlich ob des Titels seiner Ausstellung vermutet haben. Nein, Kulka ist ein lebenserfahrener Mann, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht (Volksmund), und er muss das auch sein als verbeamteter Architekt (das ist nicht ironisch gemeint). In der Ausstellung präsentiert er Grafiken, kolorierte und unbearbeitete Fotografien, Modelle und Computeranimationen seiner Bauten und Entwürfe. Das ist in jedem Falle sehenswert, auch für den Laien (falls Sie einer/eine sind [sagt man eine Laiin?]). Die Metamorphosen scheinen Kulkas Steckenpferd (nicht verwechseln mit Schneckenherd) zu sein: aus alten unansehnlichen Bauten macht er im Handumdrehen (O.K., das war eine Übertreibung) ansprechende Gebäude, die sowohl dem Ästhetiker als auch dem strengen Funktionalisten Respekt abverlangen. Auch thematisch lassen seine Arbeiten nichts zu wünschen übrig: ob Feuerwache, Sächsischer Landtag, Benediktinerabtei, Konzertsaal oder Privathaus, der Peter packt das an und macht aus Scheiße Gold! (Oh, das war bestimmt linguistisch inkorrekt.) Na, kurz um, Peter Kulka hat’s einfach drauf – und das kann er ruhig zeigen!
Wie sieht’s nun aber mit Jeppe Hein aus? Peppe ist ein junger dänischer Künstler, der sich in Berlin niedergelassen hat. Nein, nein – Sie denken bestimmt „Schon wieder so ein dänischer Yuppie aus Berlin, der uns vergageiern will“, aber Jeppe ist echt in Ordnung. Der hat pfiffige Ideen, wie man die Besucher zum Nachdenken animieren kann. Stellen Sie sich vor, Sie kommen in seine Ausstellung und sehen zwei Häuserfotografien, die per Photoshop-Programm ineinander montiert worden sind, so dass das eine Haus nach oben, das andere nach unten zeigt und sich beide in der Mitte berühren. Na, wie finden Sie das? Anziehung eben! Aber es wird noch besser! Diese Montage hat der Peppe einfach fünfzehn, zwanzig Mal ausgedruckt und leicht versetzt nebeneinander aufgehängt – um jeden Ausdruck einen netten Ikea-Rahmen und fertig ist das (Gesamt-)Kunstwerk. Da sindse baff, watt? Im nächsten Raum des Ausstellungsrundganges hat Jeppe abstrakt installiert. Wenn Sie sich bitte mal eben imaginieren, dass Sie in einen großen leeren Raum kommen, in dem irgendwie nichts zu sehen ist und der auch sonst aussieht wie ein leerer Ausstellungsraum, dann bekommen Sie einen Eindruck von „Inside/Outside“. Der Clou ist, dass die langen, verkehrtherum aufgehängten Neonröhren-Lampen, die Sie auch schon von früheren Galeriebesuchen her kennen, von Peppe sind. Die Lampen sind mit Sensoren verbunden, die das äußere Tageslicht quasi einfangen und eins zu eins im fensterlosen Raum abbilden – tja, Mimesis at its best! Der Jeppe, Mensch! Im nächsten Raum erfährt die reduktionistische Arbeit des Künstlers noch eine Steigerung: Sie sehen nichts, nur weiße Wände – und dann: ein Loch, auf 1,60 m Höhe in die Wand gebohrt.Jeppe sagt, das hat was mit der Größe der Kuratorin zu tun. Ich glaube, das ist Zufall. Ein Raum weiter liegt eine große Eisenkugel. Sobald Sie den Raum betreten, fängt die an zu rollen, wahllos, hin und her, und dabei schlägt sie nicht selten gegen die Wände. An einigen Stellen bröckelt es schon leicht. Jeppe meint, in Berlin habe er mit der Kugel schon mal eine Galerie verwüstet. Sie fragen sich, was das soll? Begreifen Sie doch! Das hat was mit dem Titel seiner Ausstellung zu tun. Ist doch klar. Außerdem, das müssen Sie zugeben, ist die Idee ziemlich witzig, noch dazu, wenn der Architekt des Hauses in eben seinem Haus ausstellt und eine Etage drüber ein dänischer Künstler das Haus zerlegt. Geile Action! Sie können sich sich(erlich) – das ist Sprachkunst – vorstellen, wie es weitergeht…
Drum beende ich an dieser Stelle meinen Bericht und empfehle Ihnen nochmals nachdrücklich einen Besuch in dieser schönen Doppelausstellung und verabschiede mich mit einem Zitat von Juri Gagarin: „Kunst ist Kulturmaximierung vor dem Tod, deshalb fliege ich in den Weltraum.“
Doppelausstellung Peter Kulka / Jeppe Hein
Peter Kulka (D) – Metapher und Metamorphose
Jeppe Hein (DK) – Anziehung und Abstoßung
Kuratorin – Ilina Koralova
2. 9.-7. 11. 2004, Galerie für Zeitgenössische Kunst
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