Léhars „Land des Lächelns” in gelungener Neuaufführung (Sebastian Schmideler)

Franz Léhar: Das Land des Lächelns
Musikalische Komödie, Haus Dreilinden
Premiere am 11. September 2004


„Kampf der Kulturen“ anno 1929:
„Das Land des Lächelns“ in der Musikalischen Komödie

Die Stimme des legendären Tenors Richard Tauber und die berühmteste Operettenmelodie des 20. Jahrhunderts – „Dein ist mein ganzes Herz“ – machten „Das Land des Lächelns“ zu einem Klassiker. Noch vor gut sechzig Jahren durfte die durch Tauber weltberühmt gewordene Arie in keiner guten Schellackplattensammlung fehlen.
Doch das ist lange her. Mittlerweile sind Genre und Libretto in die Jahre gekommen. Die Ohrwürmer der Operette sind zwar unverwüstlich geblieben, aber reicht das aus für eine gelungene Neuinszenierung?

Es reicht aus – wenn man die Vorlage gerade wegen ihrer unverkennbaren Schwächen ernst nimmt. Das hat man in Leipzig getan. Mit staunenswertem Ergebnis: ungeachtet der angespannten finanziellen Situation der Musikalischen Komödie (der Förderverein half mit 10.000 Euro für das Bühnenbild aus) und trotz der begrenzten Kapazitäten gelang dem engagierten Inszenierungsteam um Mei Hong Lin ein respektabler Auftakt in die neue Spielzeit.

Am 11. September 2004 feierte die Inszenierung Premiere. Dieses neuralgische Datum ist es auch, das dem Stück ungeahnte Aktualität verleiht. Mit Dezenz und einer gewissen mondänen Eleganz eröffnen Bühnenbild (Thomas Gruber), Kostüm (Bettina Merz), Choreographie und Inszenierung hier neues Deutungspotential ganz im Sinn des Komponisten: eine veredelte Operette wird präsentiert. Natürlich bleibt das mehr denn je ein Balanceakt: die Stereotypien der Geschlechterrollen und die plakative kulturelle Codierung der Vorlage sind zwangsläufig auch hier Versatzstücke des Trivialen. Denn es fehlt an nichts: Tingeltangel, Showeinlagen, Herzschmerz, derbe Kalauer an der Oberfläche – alles, was das Publikum von diesem Genre erwartet.

Doch was dieser Inszenierung hoch anzurechnen ist: es gelingt ihr, daneben die unverkennbar starken Seiten der trotz allem großartigen Operette als Höhepunkte eines Teufelskreises herauszuarbeiten. Denn der hier eindeutig unauflösliche Konflikt um die Gefangenschaften kultureller Prägung wird in der Inszenierung mit jenem wünschenswerten Quantum an Zurückhaltung veranschaulicht, das die Wirkung des Ganzen nur desto eindrücklicher macht. Lisa, Wienerin der feinen Gesellschaft, und ihr chinesischer Konterpart, der Ministerpräsident Prinz Sou-Chong, werden auf dieses Weise lebensvolle und anschauliche Figuren, deren Konflikt mindestens Richard Straussches Format erreicht.

Das liegt nicht zuletzt daran, daß sich auch die gesanglichen Leistungen des Abends auf gutem Niveau bewegen. Doch das allein ist es nicht. Operette lebt auch vom darstellerischen Talent – und beides vereinen Judith Kuhn (Lisa) und Seung-Hyun Kim (Prinz Sou-Chong) zu einem sehr authentischen Gesamtbild. Der leichte Wiener Schmäh von Gustav von Pottenstein (Andreas Rainer) und das chinesische Äquivalent, der Schwester des Prinzen Mi (Beate Gabriel), stehen dem in nichts nach. Die von Lehár musikalisch sensibel und einprägsam abgetönten Personencharkteristiken repräsentieren sie alle durchdacht. Schön, dass Folker Heterich als Tschang zeigt, dass Sprechkultur gerade in der MUKO noch immer etwas gilt. Die Tanzeinlagen waren recht flott, das Orchester parierte vortrefflich und Roland Seifferth brachte als Dirigent all den Charme und die nötige ernsthafte Leichtigkeit mit, die Lehár wohl sehr gefreut hätte. – Alles in allem: wieder mal eine Inszenierung, die man gesehen haben sollte. Weiter so!

(Sebastian Schmideler)

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