Zwei Finnen und ein Strauss im Konzert

Dirigent Ari Rasilainen und Solist Bernhard Krug geben zusammen mit dem Gewandhausorchester ein Konzert im Großen Saal

Ernsthaft irritiert fragt man sich nach den sechs Tuttischlägen am Ende von Sibelius‘ 5. Sinfonie, wie es möglich ist, dass ein Konzert des Gewandhausorchesters künstlerisch so wenig überzeugen kann. Wenn es nach dem reflexartig einsetzenden Applaus des Publikums ginge, ja sogar ein notorischer Bravo-Rufer macht sich Luft, gäbe es eigentlich nichts zu kritisieren, doch ist es doch eher umgekehrt: Ein berührendes Konzerterlebnis hinterlässt Anspannung und Konzentration, ein paar wonnige Momente der Stille. Dazu kam es heute nicht.
Das Programm ist anspruchsvoll und viel versprechend. Mikko Frank, der finnische Shootingstar der internationalen Dirigentenszene wird wegen einer plötzlichen Erkrankung von seinem Landsmann Ari Rasilainen vertreten. Beide haben an der Sibelius-Akademie in Helsinki studiert, somit beste Voraussetzungen für die am heutigen Abend im Vordergrund stehende nordische Musik.

Einojuhani Rautavaara, der in über 40 Jahren ein umfangreiches Oeuvre aus Sinfonien, Opern und anderen Orchester-, Vokal- und Kammermusikwerken geschaffen hat, ist nach verschiedenen stilistischen Phasen bei einem Stil angelangt, der moderne und traditionelle Elemente miteinander verbindet. Die Orchesterfantasie „Isle of Bliss“ aus dem Jahr 1995 geht auf das Gedicht „Lintukoto“ des finnischen Nationaldichters Aleksis Kivi zurück, von dessen Werken sich auch Sibelius inspirieren ließ. Nach Rautavaara verfolgt die Komposition nicht im programmatischen Sinne Kivis Vorstellung von einer „Insel der Glückseligkeit“. Die menschliche Sehnsucht nach einem friedlichen Zufluchtsort wird in spezifische Stimmungen übertragen. Den lichten sorgenfreien Anfang bestimmt ein fast naives tonales Thema. Im überstürzten Beginn des Orchesters wird das feinsinnige Auftauchen, Verschwinden und Überlagern dieses Themas in den verschiedenen Stimmen leider nicht lebendig. Die Musiker sind zum Teil tief in den Noten versunken, andere blicken immer wieder hilfesuchend in Richtung Ari Rasilainen, der aber die notwendige Eindeutigkeit vermissen lässt. Beide Seiten schaffen es nicht, sich auf die Schwingungen und das geheimnisvolle Flimmern der Musik Rautavaaras einzulassen. Im Mittelteil der Komposition erzeugen große Bögen eine Art Stillstand, kunstvoll differenzierte Tempi schaffen aber gleichzeitig doch gewisse Bewegungen und Richtungen. Im Gedicht ein fatalistischer Abschnitt, wo „eine Antwort weder gesucht, noch gefunden wird“. Schließlich kehrt die Zuversicht des Anfangs zurück, das Thema des Beginns durchbricht allmählich die flächigen Strukturen. Das gefühlvolle Harfensolo am Ende versöhnt dann ein wenig, es blitzt darin für einen Augenblick die Dimension der Komposition auf.

Bernhard Krug, Solohornist des Gewandhausorchesters, hat es anschließend schwer, sich im 2. Hornkonzert von Richard Strauss gegen seine Kollegen durchzusetzen. Die Stimmen des Orchesters – schon untereinander kaum transparent – verdecken zu oft den technisch anspruchsvollen Solopart. Ratlosigkeit am Ende: Sogar in der Schlusspointe, als zwei Hörner aus dem Orchester dem Solisten zur Seite treten, „rennt“ das Orchester wenig hilfreich dagegen.
Nach der Pause Jean Sibelius: Die „erste“ Uraufführung von Sibelius‘ 5. Sinfonie fand im Dezember 1915 anlässlich des 50.Geburtsttages des Komponisten statt. Sibelius – zu dem Zeitpunkt im Zenit seines Schaffens – gab sich aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden, nach mehreren Überarbeitungen wurde schließlich die letzte Fassung 1919 uraufgeführt. Entstanden ist ein sehr kompaktes dreisätziges Werk. Schon im ersten Satz sehr dynamisch und von machtvollen Bläserklängen bestimmt, erreicht die Aufführung hier kurz die gewohnte „Gewandhaus-Qualität“, hoffentlich eine Aussicht auf die weitere Spielzeit…

Einojuhani Rautavaara (geb. 1928): Isle of Bliss – Insel der Glückseligkeit
Richard Strauss (1864-1949): Konzert für Horn und Orchester Nr. 2 Es-Dur
Jean Sibelius (1865-1957): Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82

Gewandhausorchester
Dirigent: Ari Rasilainen
Solist: Bernhard Krug, Horn

Freitag, 17. 9. 04, Gewandhaus, Großer Saal

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.