Eröffnung der Leipziger Lachmesse mit „Ursus und Nadeschkin” (Babette Dieterich)

Eröffnung der Lachmesse im academixer-Keller:
Ursus und Nadeschkin
„Haileids“
außerdem: Preisübergabe „Leipziger Löwenzahn“
7. Oktober 2004

Synchronschwimmer auf spielerischen Abwegen

Sie kommen auf die Bühne, treten ab, tauchen wieder auf: „Das ist noch nicht Programm.“ Scheinbar absichtslos und spontan schlittert das Clownsduo Ursus und Nadeschkin in ihre „Haileids“ und spielt, „bis der Preis kommt“. Spielerisch wechseln sie die Ebenen, mal ist es eine pure Bühnensituation, es geht „nur“ ums Auftreten, Dastehen, Weggucken. Dann sind wir plötzlich mitten drin in einer Szene oder das Publikum wird einbezogen. Die beiden Kameramänner der anwesenden Fernsehteams werden angewiesen, sich gegenseitig zu filmen. Was einer der zwei prompt umsetzt. Szenenapplaus. Spontaneität scheint erlernbar. Jedenfalls, wenn sie einem so federleicht und selbstverständlich gezeigt wird, wie von Ursus und Nadeschkin. Da klingelt ein Handy und die beiden entschuldigen sich bei dem Besitzer, dass sie in seinem Büro spielen. Eine leerer Platz in der ersten Reihe bringt Nadeschkin ins Nachdenken, ob an dieser Stelle nicht die Pointe ins Leere gehen könnte. Wortspiel und Situationskomik, aus dem Moment geboren, bringt das Publikum immer wieder zum Lachen.

Doch dann gibt es immer wieder überraschende Momente innerhalb des improvisiert wirkenden Ablaufs, die dem Programm eine beinahe musikalische Struktur geben. Aus heiterem Himmel sprechen die beiden synchron, synchronisiert sich ihr Bewegungsablauf und es gibt auch eine Erklärung dafür: Sie hätten sich schließlich im Solo-Synchronschwimmen kennen gelernt. Ein paar weitere Anekdoten der Vergangenheit graben und schlachten sie aus: Ursus, der in seinem Sakko ein wenig die seriöse Rolle übernommen hat, – im Gegensatz zur wirr verwuschelten Nadeschkin in der gelben Latzhose – habe drei Jahre lang eine Pantomimenschule besucht. Und als Baum abgeschlossen. Auf Wunsch des Publikums beweist er sein Können als „Trauerweide“.

Überzeugend auch der Minimalismus und Einfallsreichtum bei den wenigen Requisiten: Da steht maximal ein Stuhl auf der Bühne und provoziert den Running Gag „Danke, ich stehe lieber.“ Statt einer clownesken Konfettischlacht wedelt Ursus gelegentlich zur Stimmungshebung mit drei übergroßen Plastikkonfettis, die er an einem Faden befestigt hat, ins Publikum. Ein wenig Jongelage darf auch nicht fehlen, sie ist kombiniert aus artistischem Können und Situationskomik: Zwei Bälle stehen für Reiner und Susi aus dem Publikum, der dritte stellt die Luft zwischen ihnen dar. Und schon wird die Jongelage zum komischen Annäherungsversuch. Diese akrobatischen und artistischen Elemente sind wie das Sahnehäubchen auf dem eher wortakrobatischen Programm und dürften noch häufiger vorkommen. Schließlich muss Ursus seine Pantomimenausbildung nicht verleugnen, oder?

Ein weiterer roter Faden: Haiwitze, handelt es sich doch um „Haileids“. Wenn man Bier ins Aquarium schüttet, dann ist das – ganz klar – „Hai necken“. Nadeschkin stelzt als Uhu auf „Hai-heels“ über die Bühne. Doch all diese kalauerhaften Witze kommen so komisch und selbstironisch daher, dass sie in keinem Fall bemüht wirken. Und dass die beiden sich auch mit hoher Literatur beschäftigen, zeigen sie in ihrer Zugabe: Nadeschkin rezitiert „Der Sumpfbub“ von Goethe. Eigentlich, so stellt es sich langsam heraus, handelt es sich dabei um den „Knaben im Moor“ von Annette von, wie war doch gleich der Name? Danach folgt das moderne Gedicht „Faxgerät“ von Sony, ein lautmalerisches Poem, das Ursus dazu nötigt, die schrillende und pfeifende Nadeschkin von der Bühne zu schieben. Viel Beifall für das Duo, das am Ende der Vorstellung den begehrten „Leipziger Löwenzahn“ in Empfang nehmen kann. Wie am Anfang versprochen, sie haben gespielt, „bis der Preis kommt“. Und wie!

(Babette Dieterich)

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