Herbert Feuerstein und „Mittwochsfazit” auf der Leipziger Lachmesse (Babette Dieterich)

Leipziger Lachmesse
Leipziger Pfeffermühle, 16 Uhr, Herbert Feuerstein liest aus „Feiersteins Reisen“
Frosch Café, 20 Uhr, „Mittwochsfazit“
So, 10.10.04


Kabarettistische Lesungen vom Feinsten

Dass häufig „nur“ ein guter Text bereits die Bühne füllt, bewiesen an diesem Lachmessen-Sonntag gleich zwei Veranstaltungen: Herbert Feuerstein las aus seinen Reisebüchern „Feuersteins Reisen“, „Feuersteins Ersatzbuch“ und vor allem seiner Neuerscheinung „Feuersteins Drittes“. Im Frosch Café zeigte die Gruppe „Mittwochsfazit“ aus Berlin, dass ein paar Zettel in der Hand und – zugegebenermaßen – ein paar Tasten unter den Fingern, einen abwechslungsreichen Kabarettabend herbeizaubern können. Doch erst einmal der Reihe nach.

Herbert Feuerstein bereiste für den WDR mit einem eigenwilligen Filmteam die Welt und hielt die Arbeit an den Dokumentarfilmen in seinen Reisebüchern fest. Neben den Besonderheiten der bereisten Gegenden erfahren wir viel über Filmarbeit und begegnen dem Dauerhassobjekt: Produzent Wolpers. Er taucht als Running Gag immer wieder in den Berichten auf, selbst in den Filmausschnitten kann man ihn kurz bestaunen: Als King Kong verkleidet, wie er Herrn Feuerstein auf dem World Trade Center huckepack abschleppt. Aber das Gesicht sei echt gewesen, behauptet Feuerstein in aller Seelenruhe. Überhaupt, sein trockener Humor, wie er skurrile Situation ohne mit der Wimper zu zucken kommentiert, das macht den großen Reiz der Lesung aus.

Natürlich liest Herr Feuerstein nicht nur aus seinen Büchern, er zeigt eben auch Filmausschnitte, schweift immer wieder ab, lässt aktuelle Nachrichten einfließen, wie den Nobelpreis für Frau Jelinek, den sie ohne seine Hilfe nie bekommen hätte. Weil er ihr erstes Manuskript damals abgelehnt hatte, Feuerstein war zu dieser Zeit Lektor des Buchverlages von Pardon gewesen, war Frau Jelinek eben andere Wege gegangen und bei Suhrkamp gelandet. „Sonst wäre Sie heute Chefredakteurin irgend so einer Zeitung wie Superillu“.

Mit seinem ganz eigenen Blick fürs Wesentliche entführt er das Publikum nach Thailand, New York, Birma und ins Eismeer. Wir erleben kriechende Gletscher und Menschenschlangen und erfahren die Zutaten eines Schlangenmixgetränkes zur Potenzsteigerung. Lesenswert und ein tolles Geschenk für Reise-Lustige im wahrsten Sinnes des Wortes sind seine drei bisher erschienenen Bücher. Ausschnitte aus „Feuersteins Drittes“ gibt es für besonders Reiselustige, die kaum Zeit zum Lesen haben, auch als Hörbuch. Gelesen von Feuerstein persönlich.

Nach kurzer Verschnauf- und Kaffeepause an diesem Lachmessensonntag ging’s ab ins Frosch Café zur Gruppe „Mittwochsfazit“. Das sind: Bov Bjerg, Horst Evers und Manfred Maurenbrecher. Die drei Herren aus Berlin trafen sich vor fast acht Jahren regelmäßig im Club „Schlot“ jeden Mittwoch, um sich und dem Publikum neue Texte und Songs vorzustellen. Bald bürgerte es sich ein, dass sie der Veranstaltung publikumswirksame Titel gaben wie: „Geile Teile, Bäckereiverkäuferinnen teilen aus“ oder „Dumm fickt gut – die Tragik der Hochbegabten“, ohne sich jedoch sklavisch an diese Inhaltsvorgaben zu halten. Die Mixtur aus Geschichten, Gassenhauern, Blues und Szenen aus dem Kühlschrank eines Singles kommt an, auch außerhalb von Berlin. Auch im Frosch Café.

Horst Evers‘ Geschichten fangen relativ normal an, um sich in immer skurrilere Szenarien zu steigern. Ob es sich um die erstickende Freundlichkeit in Düsseldorf oder um die Pampigkeit in Berlin handelt, man bekommt einen Eindruck über die Mentalität der Städte und biegt sich gleichzeitig vor Lachen. Die Geschichten von Bov Bjerg bevorzugen etwas stillere Töne. Wir begegnen darin einem Erzähler, der introvertiert ist „bis zur Implosion“. Oder wir erfahren, in Form eines Essays, welche Arten von Studenten es gibt und wie sich die Begrifflichkeit in Richtung „Studierende“ gewandelt hat. Und das bezeichnet eben eine Dauertätigkeit…

Manfred Maurenbrecher setzt immer wieder musikalische Akzente, mal allein vom Klavier aus, mal verstärkt von seinen beiden Kollegen. Highlights sind der Song „Oh Wessi“ über die Jammerei im Westen, der Song „Junge Mütter“ aus dem Programm „Danke Mutter, so viel Zeit muss sein“ und der Schlusssong vom Stein im Schuh. Denn wenn was drückt, „sieht die Welt plötzlich so anders aus“. Weiteres Highlight: Die Kühlschrankszene, bei der alle drei Protagonisten beteiligt sind. Die Gespräche zwischen einem halb verdorbenen Hähnchen, einer Wodkaflasche, zwischen schmierigem Spinat und einer müden Möhre sind einfach witzig und voller Sprach- und Situationskomik. Erst recht, wenn sich alle Reste im Abfalleimer treffen: „Aber ich bin doch noch fast gut“ mault da das Hähnchen. Mehr davon!

„Mittwochsfazit“ erzwingt keinen roten Faden, sondern reiht Texte, Szenen und Lieder lose aneinander. Und trotzdem bekommt man nicht den Eindruck von Beliebigkeit. Das Improvisierte des Ablaufs, die Freude der drei auf der Bühne haben etwas Erfrischendes und setzen wohltuende Akzente gegen die Routine mancher Kabarettensembles.

(Babette Dieterich)

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