Wenn du weißt, dass du gerettet bist, dann klatsch

„Vorher Nachher Bilder“: Jens Friebe und Band spielen in der MB Leipzig

„Und jetzt kommt ein Fantasy-Lied“, sagte Jens Friebe zum Publikum in der Moritzbastei, Star nämlich. „Ich will, dass du mich willst, weil ich ein Star bin“, heißt es dort im Refrain, und wäre das nicht so selbstironisch angekündigt worden, könnte man es fast – aber wirklich nur fast – glauben.
Um Jens Friebe ranken sich einige star-mäßige Geschichten wie zum Beispiel die, dass er bei seinem ersten Solo-Auftritt Jochen Distelmeyer von Blumfeld, welcher sich unter den Zuhörern befand, so begeisterte, dass dieser den legendären Labelgründer und -chef Alfred Hilsberg dazu brachte, Jens Friebe unter Vertrag zu nehmen. Eine weitere Geschichte, die sogar ebenfalls wahr sein dürfte, besagt, dass daraufhin Jens Friebe in einen Berliner Club ging, um sich einen Produzenten für sein erstes Solo-Album zu organisieren. „Du bist doch Armin von Milch, oder?“, sagte er zu Armin von Milch; der gab zurück: „Ja, möchtest du Drogen nehmen?“ Trotz ablehnender Antwort seitens Jens Friebe einigte man sich darauf, zusammen das Album zu machen, und seit einigen Monaten ist es fertig und heißt Vorher Nachher Bilder.

Leider kennen noch lange nicht genug Leute in Leipzig dieses Album; anders ist es nicht zu erklären, dass die MB nicht ausverkauft war. Toni Kater als Support, naja, wobei sie in Fernsehen und Radio immerhin präsenter ist als der Hauptact. Jens Friebe und seine Begleitband mussten sich, nach einigen Stunden im Stau, mit einem eiligen Linecheck in der MB begnügen – was allerdings zu Beginn des Konzerts dazu führte, dass das Schlagzeug in ohrenbetäubender Lautstärke schmetterte, während Gitarre, Keyboard und Gesang eher im Hintergrund blieben. Dieses Problem wurde jedoch schnell behoben, und übrig blieb wunderschöne Musik. Vorher Nachher Bilder.

Ja, Jens Friebe wohnt seit einiger Zeit in Berlin, und ja, die Musik auf seinem Solo-Album (vorher spielte er zum Beispiel bei der Band Bum Khun Cha Youth) klingt elektronisch, zumindest teilweise, aber ihn deswegen der Hauptstädter Frickelgemeinde zuzuordnen wäre ein trauriges Missverständnis. Da sind allein schon die Texte, die er mit zarter, eindringlicher Stimme singt: „Bring mich zum Wagen, bring mich zum Weinen“ oder „Aber ein Lied ohne Botschaft ist wie ein Land ohne Botschaft, eine Stadt ohne Plan, und was fängt man damit an?“ oder „Es ist ja nicht so, dass mir alles aus Amerika gefällt, doch das deutsche Kino ist nun mal das schlechteste der Welt“. Immer dann, wenn man es nicht erwartet, kippt die Stimme ein bisschen, haucht einen unerwarteten Schnörkel hinterher oder seufzt die Wörter auf eine so undüstere, freundliche Art und Weise, dass sogar Berliner Drumcomputermusik dadurch an Wärme gewinnt. Und so, wie das Cover von Vorher Nachher Bilder mit seiner unverkennbaren blauen Ravensburger-Ecke aussieht, klingt auch die Musik: Ein bisschen verspielt, ein bisschen geheimnisvoll, auch ein bisschen surreal, dabei aber nie abdriftend ins Sinn- und Inhaltslose.

Auf der Bühne etabliert Jens Friebe eine neue Form der unaufdringlichen großen Geste. Luftküsse für’s Publikum, ein selbstversunkenes Lächeln und hier und da ein bisschen Koketterie: „Das nächste Lied ist nicht auf meinem Album; wenn’s euch nicht gefällt, ist das also kein Grund, das Album nicht zu kaufen“, sagt er. Eine seiner Zugaben, Magnetic Fields‘ „Come back from San Francisco“, spielte er allein am Keyboard, konzentriert, eingetaucht in grünes Licht. Was einige Gäste in der MB bewogen haben könnte, gerade bei diesem Lied vor sich hin zu gackern und zu tuscheln (emotionale Überforderung, anyone?), können wahrscheinlich nur sie selbst beantworten. Schön hingegen, dass für eine weitere Zugabe Uli Nachtigall von Bum Khun Cha Youth auf die Bühne gebeten wurde, zum gemeinsamen Intonieren von „Wann hast du eigentlich aufgehört mich zu lieben, Schatz?“

Bleibt nur, sich – vorausgesetzt, man hat ein Interesse an Popmusik – das Album von Jens Friebe so lange, gern auch täglich, anzuhören, bis er wieder einmal in Leipzig spielt. Oder bis das neue Album veröffentlicht wird. Das Warten dürfte sich lohnen.

CD:Jens Friebe
Vorher Nachher Bilder

Label: ZickZack

VÖ: 29.03.2004

Konzert:
Jens Friebe

30. September 2004, Moritzbastei Leipzig

Bilder:
1. Cover des Albums Vorher Nachher Bilder
2. – 4.: Jens Friebe in der MB

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