Deine Welt sind die Berge: Das vortreffliche „Heidi”-Musical feiert Premiere (Sebastian Schmideler)

„Heidi“ – Das Musical
Regie: Dominik Wilgenbus
Chor und Orchester der Musikalischen Komödie
Leitung: Stefan Diederich
Premiere am 22. Oktober 2004
Musikalische Komöide im Haus Dreilinden


Zündendes Pointenfeuerwerk und Musiktheater für die ganze Familie: „Heidi“ – Das Musical

Uraufführungen können ein riskantes Wagnis sein. Doch nicht zwangsläufig. – Denn es geht auch anders. Ganz anders. Das Musical für junge und jung gebliebene Leute „Heidi“, das am Freitagabend, den 22. Oktober 2004 in der MuKo Premiere feierte, beweist, dass die Leute bereit sind, zu lachen, zu jubeln, mitzudenken, wenn es Regisseur, Komponist und Darsteller nur verstehen, ein Publikum mit Witz und Fantasie, mit handwerklichem Geschick und intelligenter Komik in Laune und Begeisterung zu verzaubern.

Dazu muss niemand das Theater neu erfinden. Die technischen Tricks und stilistischen Raffinessen, deren sich Komponist h.c.mylla und Regisseur Dominik Wilgenbus bedienen, sind nicht gerade revolutionär. Aber auf das Wie kommt es an. Und hier stimmt einfach alles: ein witziges, nichts entstellendes Libretto aus der Feder des Regisseurs, eingängige, nicht zu abstrakte Musik, eine wunderbar abwechslungsreiche, effektvolle und buchstäblich alle Register der Theaterkunst ziehende Bühnenkonstruktion von Udo Vollmer, originelle, den Charakteren angemessene Kostüme von Andrea Fisser und eine Idealbesetzung in den Hauptrollen. Anna Silvia Lilienfeld als Heidi versteht es wunderbar, die Eigenwilligkeit des „kuriosen Schweizerkindes“ plausibel zu machen. Friedhelm Eberle als Alm-Öhi ist ihr ein würdiger Konterpart. Jungstar Marco Fahrland als Geißenpeter wirkte durchgehend überzeugend. Besonders herausragend Angela Mehling als sittenstrenges Fräulein Rottenmeier und Sabine Töpfer als schräge „Oma de luxe“. Alle anderen Rollen waren ebenso wie das Ballett der Musikalischen Komödie mit vielen profunden Ideen ausgestattet, die aufgingen wie Raketen eines Feuerwerks.

Die Sterne standen tatsächlich gut über dieser Inszenierung, denn auch Chor und Orchester der Musikalischen Komödie unter der Leitung von Stefan Diederich machten keinen Strich durch die Rechnung und trieben wie alle anderen das Rad der Fortuna glücklich an.

Herausgekommen ist die mit Abstand beste Inszenierung des Leipziger Musiktheaters seit längerer Zeit. Dieser „Heidi“-Produktion gelingt etwas sehr Schwieriges mit geradezu staunenswerter, spielerischer Leichtigkeit: eine weltbekannte Vorlage ernst zu nehmen, sie gleichzeitig zu ironisieren, ohne die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten und bei alle dem ein pointenreiches Spektakel für die ganze Familie entstehen zu lassen.

Das Konzept geht auf, weil alle Beteiligten wissen, was sie tun. Immer bleiben genug Freiräume für den Zuschauer, mit Fantasie Anspielungen zu Ende zu denken, nirgendwo schlägt der Abend über die Stränge durch Regietheatermätzchen oder Ideologie lastigen Modernisierungswahn.

Alles in allem: Dieses hinreißende Musical nach Leipzig geholt zu haben, beweist, dass man zumindest in der MuKo den richtigen Riecher für gute Produktionen hat. Nun bleibt der Inszenierung nur noch zu wünschen, dass sie den schwierigen Start mühelos schafft und es ihr gelingt, die Nase vorn im Spielplan zu haben. – Hingehen, anschauen, weiterempfehlen!

(Sebastian Schmideler)

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