Fiktiohybridformatanimiert – „dokumentarische Geschichtsschreibung” auf dem Dokfestival (Max Bornefeld-Ettmann)

47. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
19.-24. Oktober 2004
www.dokfestival-leipzig.de

Bild: Dokfestival
Virtual HistoryFiktiohybridformatanimiert
Innovation und Grenzerkundungen im dokumentarischen Film und Fernsehen
„Es geht um eine Geschichte und ob sie gut erzählt ist.“

Hinter dem Wortungetüm Fiktiohybridformatanimiert verbirgt sich nicht zuletzt eine Überschneidung zwischen Dokumentar- und Animationsfilm. Grenzgänge zwischen Dokumentarmaterial, Schauspiel, Kulisse und Animation stellen den Versuch an, nicht filmisch abgebildete Ereignisse oder fast reale Fiktionen abzubilden. Ambitioniertes Beispiel ist Virtual History: The Secret Plot to Kill Hitler von David McNab (GB 2004). Dieser Film rekonstruiert den 20. Juli 1944 anhand der Tagesabläufe der großen Drei – Roosevelt, Churchill und Stalin – und ihres gemeinsamen Feindes Hitler, sowie den des Attentäters. Dazu bedient sich der Film vorhandener Filmaufnahmen, die zusammengeschnitten und mit Animationen kombiniert werden, um die Ereignisse lückenlos zu – „dokumentieren“. Der Versuch, so der nicht abgebildeten Geschichte näher zu kommen, ist geglückt. Und zwei große Fernsehdokuspiele von ARD (Stauffenberg) und ZDF (Die Stunde der Offiziere) haben es dieses Jahr nicht vermocht, das Thema 20. Juli zu erschöpfen. Ergänzt wurden die Rekonstruktionen hierbei durch eingeschobene Berichte der entsprechenden Biographen – für Hitler war dies z. B. Joachim Fest. Was allerdings nicht geglückt ist, sind die Sequenzen, in denen das Ereignis Hitler-Attentat historisch eingeordnet wird. Warum man sich nicht des Rats der zu den Personen befragten Historiker bedient hat, bleibt offen. In einer Diskussion – einem sogenannten DOC-Summit – zu Fiktiohybridformatanimiert sagte Dr. Patrick Hörl am Sonntag: „Es kommt darauf an, ob sie den Filmemachern vertrauen oder nicht.“ Wenn in einem Film die Folgen des 20. Juli zusammengefaßt werden und zu einem Bild von KZ-Insassen gesagt wird, der [industrielle] Massenmord hätte seine stärkste Ausprägung erst danach gehabt – dann kann man den Filmemachern nicht vertrauen. Denn hierbei handelt es sich um Geschichtsfälschung. Man muß den Zusammenhang zwischen Kriegsverlauf und Holocaust nicht in seiner ganzen Breite darstellen, aber man muß darum wissen. Sonst interpretiert man einzelne Erkenntnisse falsch, wie z. B. die Tatsachen, daß etwa bis zum Juli `44 ebenso viele deutsche Soldaten in fünf Kriegsjahren gefallen sind wie von Juli `44 bis Mai `45 und daß in den letzten Kriegsmonaten deutsche Zivilisten in ungekanntem Ausmaß umkamen. McNabs Film faßt diese Erkenntnisse zusammen. Dort heißt es, es seien nach dem 20. Juli mehr Zivilisten umgekommen, als während der vorhergegangenen Kriegsjahre. Wie man zu dieser Aussage kommt, ob damit nur deutsche Zivilisten gemeint sind oder nicht, ob Zwangsarbeiter, KZ-Insassen und Holocaustopfer in diese Aussage eingeschlossen werden – wen interessierte es, wenn der Film ?eine Geschichte gut erzählt‘?(Max Bornefeld-Ettmann)

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