Bombastisch die Kurve gekriegt

Das 47. Dokfestival unter neuer Federführung

Zu DDR-Zeiten galt es als Konkurrenz zur Berlinale: Das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm ist auch noch heute Deutschlands größtes und wichtigstes Festival für beide seiner Genres. Im 47. Jahr seines Bestehens nimmt sich ein junger, neuer Festivaldirektor der großen Tradition an, aber auch mit dem Mut zur Veränderung. Der 38-jährige Claas Danielsen, selbst Dokumentarfilmer und erfahrener Akteur hinter den Kulissen, kündigte an, Leipzig als internationalen Branchentreffpunkt etablieren zu wollen. Die morgendlichen Doc-Summits, Podiumsdiskussionen zu Genrefragen in der Alten Handelsbörse, stießen bereits auf große Nachfrage, und schon im nächsten Jahr soll das „Discovery Campus Pitching“, eine Präsentation neuer Projekte von Nachwuchsfilmemachern vor potentiellen Förderern, einen festen Platz im Rahmen des Festivals einnehmen. Auf dem internationalen Parkett kann Leipzig aber trotz seines hohen Renommees mit den Festivals in Amsterdam oder Toronto, die ein mehr als dreimal so großes Budget aufweisen, nur schwerlich mithalten. Allein die öffentlichen Zuschüsse sanken in den letzten zehn Jahren um satte 30 %. Umso erstaunlicher ist, dass Danielsen sein zweites großes Vorhaben bereits in diesem Jahr verwirklichen konnte: Das Festival ist so populär wie noch nie. Die gezählten Zuschauer in den Kinosälen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um ein ganzes Drittel auf 24.000! Und mit neu gewonnenen Sponsoren konnten die Preisgelder auf 47.000 Euro, davon der Hauptpreis auf 10.000 verdoppelt werden, womit sich Leipzig auch diesbezüglich nicht mehr zu verstecken braucht.
Eine Goldene Taube stand bereits zu Beginn des Festivals fest: Fred Gehler, der charismatische Vorgänger Danielsens, erhielt sie für sein Lebenswerk, davon elf ungemein erfolgreiche Jahre, in denen er dem Festival zu seinem internationalen Ruhm verhalf. Am Ende wusste man, dass man sogar den Hauptpreisträgerfilm schon am Eröffnungsabend gesehen hat: der stimmungsvolle Touch the Sound des Deutschen Thomas Riedelsheimer. In gleich acht Artikeln widmet sich der Leipzig-Almanach allen anderen Preisträgern des Internationalen Dokumentarfilm-Wettbewerbs, sowie dem neu eingerichteten Deutschen Wettbewerb, der Retrospektive zu Volker Koepp, den zwei Reihen zum Nachwuchs des Dokumentarfilms, dem Humor im Dokfilm in „Life is terribly funny“, den Grenzen des Dokumentarischen in „Fictiohybridformatanimiert“, der Eröffnungsveranstaltung sowie dem Kultevent „The Shockin‘ Local Short Night Shuffle“. So interessant und spannend die zahlreichen Programmsektionen auch waren, Danielsen weiß, dass er sich im nächsten Jahr nicht nur bitter nötig um neue Förderer bemühen muss, sondern auch um die Konzentration des Programms, das in diesem Jahr mit 354 Filmen aufwartete – zusammengerechnet immerhin neun Tage durchgängiges Filmegucken.

47. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm

19.-24. Oktober 2004

www.dokfestival-leipzig.de


Weitere Artikel zum Dokfestival 2004 im Leipzig-Almanach:

Die Preisträger 2004 (Max Bornefeld-Ettmann, Lina Dinkla, Maike Schmidt, Jörn Seidel)

Die feierliche Eröffnung des Festivals (Max Bornefeld-Ettmann)

Ein Überblick über den Deutschen Wettbewerb (Maike Schmidt)

Retrospektive Volker Koepp: Menschen – Landschaften (Jörn Seidel)

Life is terribly funny – Humor! im Dokumentarfilm? (Maike Schmidt)

The Shockin Local Short Night Shuffle (Lina Dinkla)

Fiktiohybridformatanimiert – Innovation und Grenzerkundungen im dokumentarischen Film und Fernsehen (Max Bornefeld-Ettmann)

First Flush – Schulverweise – Einblicke in das Schaffen an Filmhochschulen (Lina Dinkla)


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