Tiecks „Blaubart” feiert Premiere in Leipzig (Babette Dieterich)

„Blaubart“ von Ludwig Tieck
Regie: Boris von Poser
Premiere
6.11.04, Theater hinterm Eisernen


Brüchiges Märchenspiel

Der Anfang des Stückes setzt sich fragmentarisch zusammen: Da sitzen fünf Geschwister (Stefan Schießleder, Torben Kessler, Stefan Kaminsky, Julia Berke, Carolin Conrad) in einem scheußlich möblierten Wohnzimmer und diskutieren über einen gewissen Blaubart, außerdem über den Sinn des Lebens und die Liebe. Im anderen Bühnenbild mit sterilen türkisfarbenen Wänden, bindet ein Arzt (Berndt Stübner) seine Tochter (Melika Foroutan) an ihrem langen Zopf fest, damit sie nicht das Haus verlässt. Dann wieder dreht die Drehbühne, auf der sich die Zuschauerbänke befinden in Richtung der Bühnenbeleuchtung, die mit ihren vielen Rängen, Gestängen und Rundgängen die Kulisse bietet für das Innere von Blaubarts Schloss. Blutrot ist die vorherrschende Farbe, sie ziert die eiserne Wendeltreppe, den Aufzug und einen Rahmen auf dem mittleren Rundgang, in dem Blaubart (Thomas Dehler) erscheint. Doch die Erzählstränge flechten sich allmählich zusammen wie der lange Zopf des Arzttöchterleins.

Der Märchenwald darf auch nicht fehlen: Er bildet den vierten Schauplatz, besteht aus schief in den Boden gerammten Speeren und ist mit einem durchscheinenden Vorhang vom Zuschauerraum abgeschlossen, der ebenfalls bespielt wird. Märchenhaft und altertümlich mutet die sperrige Sprache von Tieck an, die die Schauspieler in betont fließendem Duktus sprechen. Einen ebenso brüchigen Kontrast bilden die Zwischenlieder (Musik: Thomas Hertel), zumeist aus dem 19. Jahrhundert, vorgetragen mit diskreter E-Gitarrenbegleitung (einfühlsam: Jens Legler). Brüchig, bildstark und viel bezüglich ist die Märchenwelt, die Regisseur Boris von Poser in seiner Blaubart-Inszenierung vorstellt, sehr gelungen das Bühnenbild und die Kostüme (Katja Schröder), sowie die abwechslungsreiche Nutzung der Räumlichkeiten hinterm eisernen Vorhang.

Der Arztsohn (Steve Wresniowski) versteckt sich im Schrank, der närrische Simon (Torben Kessler) in der Kiste, Leopold (Stefan Kaminsky) lenkt den Diener des Arztes (ausdrucksstark: Michael Schrodt) davon ab, die Tochter zu bewachen, indem er ihn mit einer Gockelmaske überrascht. Der abgeschnittene Zopf der befreiten Arzttochter baumelt vom Geländer wie aus dem Rapunzelturm, der Bart an Blaubarts Kinn und Hals gleicht einem Henna-Tattoo. Überall wimmelt es von assoziativen Bildern, die jedoch selten dick aufgetragen daherkommen. Einzig das letzte Kostüm der Braut des Blaubarts, Agnes (Carolin Conrad) schwingt dank seiner blutroten Korsage den Holzhammer.

Und es kommt, wie es kommen muss: Agnes, die zunächst nichts von Liebe wissen will, verliebt sich in Blaubart. Sie folgt ihm mit auf sein Schloss, das außerdem von einer für ihr Alter sehr attraktiven Haushälterin (überzeugend: Ellen Hellwig) bewohnt wird. Sie ist die Konstante, sie kennt das Spiel und sagt der Braut gleich zum Empfang, dass sie bereits die siebte sei. Und die Braut erhält die Schlüssel, darunter jenes goldene Schlüsselchen zur verbotenen Tür. Und natürlich muss sie diese Tür öffnen, hinter der sie die Leichen ihrer Vorgängerinnen findet. Doch dank der Sensibilität des verrückten Simon kommen die Brüder rechtzeitig zur Rettung der Braut.

Das Ende ist abrupt und etwas unbefriedigend. Plötzlich befinden sich alle Figuren im Saal des Schlosses, finden sich neue Paare, wurde zwischenzeitlich, während die Drehbühne das Publikum verdrehte, Blaubart getötet. Und ein letztes Mal entgleitet Agnes der blutbefleckte goldene Schlüssel. Am Ende ist es Simon, der ihn aufheben und das verbotene Zimmer betreten wird? Oder einer aus dem Publikum? Blaubarts Kampf, die Neugierde auszurotten, ist vergeblich.

(Babette Dieterich)

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