Gegen ostalgische Seichtheit

Die Ausstellung „Damals in der DDR“ nähert sich dem Thema vielschichtig und multimedial

Nicht wenig hat sich der Zusammenschluss aus MDR, WDR und LOOKS FILM&TV vorgenommen. Heute, wo sich Ostalgie-Shows die Klinke in die Hand geben, der Osten im gesamtdeutschen Munde ist und trotz „Sonnenallee“ und „Good bye, Lenin“ mehr Verklärung und Sentimentalität herrscht als dass tatsächlich Aufklärung geleistet wird, soll dieses Multimedia-Projekt eben dieser Seichtheit Kontra geben und sich der Geschichte der DDR „auf eine neue Art“ nähern, wie es in der Pressemitteilung heißt. Und das in einem medialen Rundumschlag. Die ARD zeigt ab dem 8. November die 4-teilige Dokumentation, es erscheint ein begleitendes Hörbuch sowie ein „richtiges“ Buch und das Projekt kann einen sehr gelungenen Internetauftritt aufweisen, der – und hier zeigt sich die interaktive Komponente – Zeitzeugen des Alltags dazu aufruft, ihre ganz persönliche DDR-Geschichte ins Internet-Forum zu stellen. An die zweihundert Personen haben das bislang getan, die Themenvielfalt ist fast unerschöpflich und betrifft nahezu alle Lebensbereiche. Ein DDR-Lexikon sowie weiterführende Informationen zum Projekt runden die Site ab.

Die Ausstellung, die derzeit als Sonderschau im Foyer des Zeitgeschichtlichen Forums zu sehen ist, erzählt in kleinen Einblicken anhand von zwanzig Einzelschicksalen die Geschichte der DDR. Diese persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen erklären stellvertretend die großen Zusammenhänge. In zehn Themenblöcken wird vom Kriegsende, der Uranförderung für die Sowjetunion, dem Mauerbau, von Ausreisewilligen, dem Wirtschaftsprogramm der SED, der Einrichtung der LPGs, dem Aufstand des 17. Juni 1953, von Denunziation und Staatsicherheit, vom subversiven Underground bis zum Mauerfall alles erzählt, was sich im besonderem Alltag in den vierzig Jahren DDR zugetragen hat.

Das ganz individuelle und doch hundertfach Erlebte lässt die trockenen geschichtlichen Daten und Fakten anschaulich werden. Fast lebendig wird der geglückte Fluchtversuch eines NVA-Soldaten, der die Gunst der Stunde nutzt und mit einem Panzerwagen die noch nicht ganz feste Mauer durchbricht; die schikanierende und bedrohliche Reaktion der Staatsicherheit auf den Ausreiseantrag einer fünfköpfigen Familie; der Versuch einer Dorfgemeinschaft, jenseits von Zentralkomitee und Kulturbund eine Initiative zum Erhalt und Wiederaufbau eines Schlosses auf die Beine zu stellen.
Es ist vor allem eine Ausstellung über die vielen kleinen Nischen, die sich ein jeder eingerichtet hat, auch über den inneren Rückzug und schließlich die Konfrontationen des Einzelnen mit dem übermächtigen Staatsapparat.

Die ausgestellten Memorabilia, die Dokumente und vor allem die vielen bunten Agitprop-Plakate, die FDJ, NVA oder die Zwangkollektivierung der Bauernhöfe bewerben, lassen allerdings trotzdem ein seltsames, den Ostalgie-Shows nicht unähnliches Retro-Zeitgeist-Gefühl aufkommen: insgesamt wirkt die dargestellte DDR ganz schön schick, sie ist halb gruselige, halb ungefährliche Vergangenheit.

Damals in der DDR
Multimediaprojekt:
Fernsehdokumentation, Buch, Hörbuch, Ausstellung, Internetauftritt
(www.damals-in-der-DDR.de)
29. Oktober 2004 bis 9. Januar 2005, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Begleitbuch zur Ausstellung:
Hans-Hermann Hertle / Stefan Wolle:
Damals in der DDR. Der Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat. C. Bertelsmann Verlag, München 2004
Bild: Ausstellungs-Plakat, Buchumschlag (C. Bertelsmann)

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