Totensonntag mit weichen Klängen

In Memoriam: ein Gedenkkonzert für Wolfgang Unger in der Thomaskirche

Wolfgang Unger, Gründer des Thüringischen Akademischen Singkreises und seit 1987 Leiter des Universitätschors Leipzig, ist dieses Jahr verstorben. Zu seinem Gedenken veranstalten seine Chöre unter Leitung von Ulf Wellner dieses Konzert am Totensonntag. „Wolfgang Unger hat seine Freude an dem, was wir hier tun“, sagt Superintendent Eugen Manser in seinem Geleitwort. War doch der Chorleiter Unger stets ein Verfechter der Kirchenmusik, und seine Konzerte zum Totensonntag waren zu DDR-Zeiten ein Zeichen unbeugsamen Mutes und Glaubens.

Wolfgang Unger hat seine Freude an den Klängen, die an diesem Abend die Thomaskirche erfüllen. Die Passacaglia c-Moll von Johann Sebastian Bach eröffnet das Programm mit ihrer bedingungslos schreitenden Melodie, die wie ein Zeichen der Versöhnung mit erblühenden Kaskaden umspielt wird. Johannes Unger spielt mit großem Engagement und Präzision die Bach-Orgel und schafft mit der Passacaglia einen würdigen Auftakt des Abends.

Wenn man das Klangideal der heutigen Requieminterpretation mit einem Wort benennen wollte, so träfe das Adjektiv „weich“ am ehesten den Kern. Weich und versöhnlich. Schon der Beginn der ersten Chores „Selig sind, die da Leid tragen“ fängt schwebend an, aber auf gutem Fundament des Orchesters. Die Intonation der Chöre ist sauber, die Textverständlichkeit hervorragend. Diese Chöre singen nicht einfach drauflos, sie singen beseelt. Ein Erbe ihres verstorbenen Chorleiters, der als gläubiger Christ seinem Glauben immer wieder in der Musik Ausdruck verlieh.

„Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“, dieser Chorabschnitt überzeugt durch starke Dynamik bei gleichbleibend weichem, intensivem Klang im Chor und im Orchester. Einem anderen Klangideal folgt Dirk Schmidt in seinem Baritonsolo „Herr, lehre auch mich“. Seine Stimme klingt kraftvoll, jedoch mit einem scharfen Beiklang, in der Mittellage ausgewogen. Doch in der Höhe merkt man, dass die Töne ihm etwas Mühe bereiten. Sie sind gestemmt und die Vokale dabei leicht verfälscht. Gut ist jedoch die Textverständlichkeit, außerdem versteht es Dirk Schmidt, seinen Solopassagen ihren dramatischen Wert abzugewinnen.

Etwas überzeugender ist die Sopranistin des Abends, Antje Perscholka. Mit ihrer schwebenden, zarten Stimme fügt sie sich besser in den Gesamtklang ein. Nach anfänglichen Intonationsschwierigkeiten beim ersten Einsatz in extrem hoher, fragiler Lage („Ihr habt nun Traurigkeit“), gewinnt ihre Stimme an Sicherheit und füllt auch mit leisestem Piano den großen Kirchenraum. Einzig die Textverständlichkeit lässt etwas zu wünschen übrig, ist aber in solch hoher Sopranlage ohnehin beinahe ein Ding der Unmöglichkeit.

Kraftvoll, die dramatischen Momente voll auskostend, singt der Chor die Passage „Tod, wo ist dein Stachel?“, um dann versöhnlich in die Fuge „Herr, du bist würdig“ zu münden. Mit weichem Klang, an den Eingangschor erinnernd, beschließt der Chor mit „Selig sind die Toten“ das Brahms’sche Requiem. Der schwebende Schlussklang bleibt noch eine Weile in der Thomaskirche stehen, kein Klatschen zerbricht die atemlose Stille nach diesem wunderschönen Gedenkkonzert.

Gedenkkonzert

In memoriam Wolfgang Unger
Johann Sebastian Bach, „Passacaglia c-Moll“
Johannes Brahms, „Ein deutsches Requiem“

Leipziger Universitätschor, Thüringischer Akademischer Singkreis (Einstudierung: Ilse Krüger-Kreile), Pauliner Kammerorchester
Antje Perscholka, Sopran
Dirk Schmidt, Bariton
Johannes Unger, Orgel
Leitung: Ulf Wellner

Sonntag, 21.11.2004, Thomaskirche

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.