Zuviel Dada! Eine szenische Lesung im Schauspiel Leipzig (Steffen Kühn)

„mund & knie 7“ dada – ka – dabra, a capella
22. November 2004, Neue Szene Leipzig

Schauspieler:Stefan Kaminsky, Aurel Manthei, Michael Schrodt, Stefan Schießleder,
und Thomas Dehler

Leitung: Thomas Hertel
Bühne:Horst Vogelgesang
Kostüme:Babara Schiffner
Maske:Kerstin Wirrmann
Ton:Stefan Wendler
Licht:Ingmar Scheffler
Regieassistenz: Anja Dunkel
Bühnenbildassistenz:Bianca Zausch
Inspizient:Thomas Urbaneck

Bitte nicht noch ausziehen!

Wenn Sie Kinder haben und noch Spielideen für den nächsten Kindergeburtstag brauchen, sind Sie bei „mund & knie 7“ gerade richtig. Da werden Abzählreime um die Wette skandiert, kein Gegenstand der nicht irgendwann zum Krachmachen missbraucht wird, das Aufsagen von „Brautkleid bleibt Brautkleid und Rotkraut bleibt Rotkraut“ wird zum dramaturgischen Höhepunkt eines rasenden Abends: in drei Spielszenen wird der Schwierigkeitsgrad beim Sprechen langsam gesteigert, indem man sich allerlei Tuten, Pfeifen und Gegenstände wie beispielsweise Tennisbälle in den Mund steckt, außerdem sitzt man mit dem Kopf nach unten oder balanciert ganz nebenbei.

Anmoderierend erklärt Regisseur Thomas Hertel dem Publikum zu Beginn das Stück: Texte von Arp, Jandl und Komplizen, ein wenig Zirkuszauber und das alles a capella. Wer alle zitierten Texte herausfindet dem verspricht er einen Preis, wohl wissend, dass er Unmögliches fordert. Die Texte gehen im Spiel und in Geräuschen völlig unter. Teilweise verliert sich alles so in Tuten, Klopfen, Schreien, dass es nicht auffallen würde wenn die Schauspieler aus dem Leipziger Amtsblatt zitieren würden. Weshalb Hertel gerade die phonetisch feinsinnigen Texte des Dadaismus als Gerüst des Stückes ausgewählt hat, bleibt im Dunkeln. Ärgerlich wird es, wenn die Raserei in Blödelei umschlägt: vier Männer mit überdimensionalen Schweizer Kuhglocken zwischen den Beinen baumelnd, zitieren kaum zu verstehende Texte. Der große Teil des nicht ganz ausverkauften Saales kann dem aber doch etwas Lustiges abgewinnen, was sicher mit den Erwartungen an einen Abend im Schauspiel Leipzig zusammenhängt. Dass die Messlatte mittlerweile so niedrig hängt, schlägt direkt auf das Schauspiel zurück. Einfache, starke Bilder werden seit Jahren bevorzugt, weil man dem Publikum nichts mehr zutraut. Die Inflation von platten Nacktszenen ist dabei nur das augenfälligste Symptom und auch heute Abend gibt es einen Männerstrip, der nach dem innerlichen „Bitte nicht noch ausziehen“ aber glücklicherweise an der Unterhose endet.


( Steffen Kühn )

„mund & knie 8“ startet am 13. 12. 04, Thema „Der spanischen Stier Ferdinand“.

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