Humperndincks „Hänsel und Gretel” wiederaufgeführt (Steffen Kühn)

„Hänsel und Gretel“
Ein szenisches Märchenspiel für Jung und Alt
11. 12. 2004, 11.00 Uhr Gewandhaus zu Leipzig, 7. Vorstellung seit der Premiere im Dezember 2001
Musik von Engelbert Humperdinck ( 1854 – 1921 )
Verbindende Verse von Adelheid Wette

Textbearbeitung: Hans-Joachim Drechsler, Berndt Stübner, Werner Stiefel
Musikbearbeitung: Hans-Joachim Drechsler, Gunter Navratil

Hänsel:Lukas Markert
Gretel: Juliane Hauschild
Vater:Alexander Range
Mutter:Anja Pahl
Erzähler:Berndt Stübner

Blechbläserensemble Gewandhaus zu Leipzig

Lebkuchen für Alle

Originalkompositionen für Blechbläserensemble außerhalb der Sphären des Jazz sind nicht so häufig gesät. Kein Wunder also, dass sich das Blechbläserensemble des Gewandhaus die Bearbeitung der beliebten Märchenoper „Hänsel und Gretel“, welche für das Schweriner Blechbläserensemble geschaffen wurde, vorgenommen hat. Am Anfang noch der Idee von Hans-Joachim Drechsler folgend, der Musik lediglich einen Erzähler zur Seite zu stellen, entwickelten Berndt Stübner, Werner Stiefel und Gunter Navratil eine szenisch musische Aufführung aus Theater, Tanz und sogar ein wenig Gesang. Die Texte stammen aus dem Märchenspiel und dem Opernlibretto von Adelheid Wette, der Schwester Engelbert Humperdincks, das bekannte Märchen der Gebrüder Grimm war die Vorlage. Adelheid Wette hat das gruselige Sozialdrama der Grimms in einem Punkt wesentlich verändert: nicht um die Kinder ob der erdrückenden Armut loszuwerden schickt die Mutter die Kinder in den Wald, sondern weil sie nicht die ihnen verordnete Arbeit verrichtet, stattdessen gesungen und getanzt haben.

Auf der Bühne des Gewandhauses treffen sich während des musikalischen Vorspiels wie zufällig ein alter Mann, Bruder und Schwester, Vater und Mutter. Das Lesen in einem übergroßen Märchenbuch verführt alsbald alle zu Spiel und Tanz, zumal auch die Kostüme eines Erzählers, von Mutter und Vater als auch von Hänsel und Gretel wie zufällig herumliegen. Das Blech verzaubert den Saal durch die bekannten Evergreens aus Humperdincks Oper, ohne Gesang wirkt das dann schon zum Teil etwas trocken . Dramaturgisch setzt die Inszenierung tänzerische Aktionen dagegen, vor allem Juliane Hauschild als Gretel schafft es durch gefühlvolle Bewegungen ein wenig von der vertrauten Welt des Musiktheaters anklingen zu lassen. Die Bläser wirken bis zur Pause etwas unkonzentriert, ungenaue Einsätze und leider nur in wenigen Maßen richtig mitreißend. Einige technische Probleme des für Musiktheater ungeeigneten Gewandhauses werden sicher nur von den kritischen Erwachsenen wahrgenommen, den sehr konzentrierten Kindern aller Altersgruppen kann das nichts anhaben. In bester Erinnerung bleibt den Kleinsten sicherlich die reichlich verteilten Lebkuchen während des Schlussgesanges.

Weshalb man in Leipzig seit drei Jahren auf dieses szenische Märchenspiel von „Hänsel und Gretel“ setzt, obwohl doch auf der anderen Seite des Augustusplatzes in der Oper die phantastische Inszenierung der richtigen Oper von Alfred Kirchner im Fundus verstaubt, ist auch ein Symptom der in letzter Zeit wenig erfolgreichen Kulturpolitik. Ohne die Konzentration auf Kernthemen städtischer Kultur wird Leipzig weiter nur ein undifferenziertes in Finanzsorgen versinkendes Bild abgeben, da helfen die Beteuerungen von Herrn Meier und Herrn Schulz über die statistisch guten Auslastungszahlen wenig. Dass man mit dem „Katzeklo“ im Gewandhaus und mit den „Donkosaken“ in der Oper den in der Welt einmaligen deutschen Bildungsanspruch nicht erfüllen kann, sollte langsam angekommen sein.

( Steffen Kühn )

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