Das Jahr im Rückspiegel betrachtet

Pop 2004: Die Redaktion empfiehlt die besten Platten des Jahres

„Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm“ – es ist wohl kein Zufall, dass ein Buch mit diesem Titel ausgerechnet dieses Jahr erschienen ist; verfasst wurde es von Tim Renner, dem Ex-Chef der Plattenfirma Universal, der der deutschen Musikbranche nun ein vernichtendes Zeugnis ausstellt. Und in der Tat, es sieht recht düster aus: Die einzigen noch brauchbaren VIVA-Formate Fast Forward (das dem Sender seinen ersten und wohl auch letzten Grimme-Preis einbrachte) und Mixery Raw Deluxe werden zum Jahresende gestrichen, die leidige Quotendiskussion („Würde eine Quote für deutsche Musik im Radio nicht zur Qualitätssteigerung von Musik und Radio beitragen? In Frankreich hat es immerhin geholfen!“ – es folgen gefühlte zehn Ausrufezeichen) will nicht verebben, und die Liste derer, die 2005 nicht mehr erleben, ist lang: John Peel, legendärer BBC-Moderator und -DJ, Entdecker und Förderer von Bands wie The Clash und The White Stripes; Rocco Clein, Musiker und einst Chefredakteur beim längst eingestellten Nischensender VIVA 2; ODB, Hiphop-Pionier und Gründungsmitglied des Wu-Tang-Clan; Chrislo Haas, 80er-Jahre-Veteran, Mitbegründer von DAF und Liaisons Dangereuses; Johnny Ramone; Ray Charles – sie alle, und nicht nur sie, sind dieses Jahr gestorben.

Andererseits gibt es auch Gutes zu vermelden: Die Luftgitarren-WM zum Beispiel, die im Sommer in Finnland stattfand, oder die Tatsache, dass Mark E. Smith (The Fall) auch 2004 noch touren konnte (bei seinem „Gesundheits“zustand keine Selbstverständlichkeit). Eine der unnötigsten Bands der Welt, die Böhsen Onkelz, hat sich aufgelöst, der Brite Dizzee Rascal hat den Grime und damit überraschende, neue Impulse unter’s Volk gebracht – und, was bei allem Hin und Her das Wichtigste für den Pop ist: Die Alben, die 2004 erschienen sind, können sich sehen und hören lassen. Jens Friebes Solo-Debüt Vorher Nachher Bilder (das übrigens von den Intro-Lesern zum Album des Jahres gekürt wurde), Anti-Folker Adam Green (Friends of mine) Leslie Feist (Let it die) und Konsorten ließen die Berufsbezeichnung Singer/Songwriter aufleben; die Alben von Franz Ferdinand, Phoenix und Interpol machten dem Hype um die Bands alle Ehre; kurz, wer 2004 nach dem Guten, Wahren, Schönen suchte, wurde fündig. Neues kennenlernen, Altes wiederentdecken war in den letzten zwölf Monaten kein Problem, und wie es mit dem Leben an sich ist, ist es auch mit diesem Jahr: Irgendwann ist Schluss, aber vorher geht viel.

Einige Highlights des Jahres sollen hier noch einmal in Erinnerung gerufen resp. vorgestellt werden; Musik aus ganz unterschiedlichen Ländern, in kleiner Besetzung eingespielt oder auch in typischer Bandgröße, laut und leise, diverse Stile reflektierend – 2004 braucht sich nicht zu verstecken, und diese Platten ebenso wenig!(Friederike Haupt)Neue Alben von The Church, Blackfield und Tears for Fears (Stefan Horlitz)Old Europe’s calling: Hörenswertes aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz (Friederike Haupt)Cool Britannia: Warum die besten Platten 2004 von der Insel kommen

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