Welche Chuzpe! Dani Levys Komödie „Alles auf Zucker” (Lina Dinkla)

Alles auf Zucker
Deutschland 2004, 89 min.
Regie: Dani Levy
Darsteller: Henry Hübchen, Hannelore Elsner, Udo Samel, Golda Tencer
Premierenvorstellung, Passage Kinos, 8. Januar 2005

Bilder: X-VerleihNeues Spiel, neues Glück

Jaeckie Zucker ist ein Zocker aus Leidenschaft und chronischer Geldnot. Der ehemalige Ex-Sportreporter, Ehemann und Vater zweier erwachsener Kinder legt zudem in einem Affenzahn eine konsequent schlechte Laune an den Tag, dass man den Mund vor lauter Staunen ob einer derartigen Schlagfertigkeit nicht mehr zubekommt. Man möchte fast meinen, dass es Henry Hübchen selber ist, so ungekünstelt und authentisch er die Figur des ewigen – mit einigen Glückssträhnen ausgestatteten – Verlierers spielt. Jaeckie ist ein Stehaufmännchen der besten Sorte, mit seinem nahe liegenden Lebensmotto „neues Spiel neues Glück“ lässt er sich von keiner noch so aussichtlosen Situation beeindrucken.

Doch seine Frau, Helene Zucker, – dargestellt von einer überraschend proletigen Hannelore Elsner – hat von diesem Hallodri und seinen Schulden im fünfstelligen Bereich allerdings mehr als die Schnauze voll und wirft ihn aus der Wohnung. Wenige Minuten nachdem Jaeckie mit Sack und Pack verschwunden ist, bereut sie dieses Vorhaben schon wieder und holt ihn zurück: mit einem Telegramm erfährt sie, dass Jaeckies Mutter gestorben sei. Der ungeliebte Bruder Samuel aus Frankfurt ist schon mitsamt übergewichtiger Frau, strenggläubigem Sohn und promiskuitiver Tochter unterwegs nach Berlin, um den letzten Willen der Mutter zu erfüllen. Dieser besagt unter anderem, dass die beiden Familien die nach jüdischem Gesetz siebentägige Trauerfeier begehen sollen, währenddessen sich die völlig zerstrittenen Brüder wieder auszusöhnen haben. Andernfalls geht das gesamte Erbe an die jüdische Gemeinde des mit den Trauerfeierlichkeiten beauftragen Rabbis.

Was nun folgt ist die erste im Großen und Ganzen gelungene jüdisch-jüdische Filmkomödie verschärft durch die deutsch-deutsche Problematik zwischen einem Frankfurter Kapitalisten und einem Ostberliner Kommunisten.

Von dieser – im Kino bislang noch nicht da gewesenen – Ausgangslage ist es für Regisseur Dani Levy und Drehbuchautor Holger Francke ein Leichtes, dem Publikum eine aberwitzige und unglaubliche Situationskomik vorzuführen, bei der man aus dem Lachen bald nicht mehr herauskommt. Allen voran ist es Henry Hübchen, der die unschlagbare Komik aufs Publikum überträgt, aber auch Hannelore Elsner hat man in einer derart komischen, leichten Rolle – und so vollständig gegen das eigene Image besetzt – selten gesehen.

An einigen Stellen, zunehmend gegen Ende des Films, schrammt die Geschichte allerdings nervigsten Klamauk und manche der Pointen und Witzideen werden gnadenlos überstrapaziert; Jaeckies x-ter Herzanfall kommt bald wie eine allzu platte Notlösung daher, um aus einer Drehbuchsackgasse zu führen. Und an anderer Stelle werden dagegen ins Auge springende, prima Steilvorlagen einfach vernachlässigt; die riesige, sabbernde Dogge von Sohn Tommy beispielsweise hätte noch viel öfter zum Einsatz kommen können.

Auch wenn ernstzunehmende Realität das letzte sein mag, was Levy mit diesem Film spiegeln wollte, das gegenwärtige jüdische Leben in Deutschland wird doch etwas zu sehr als plattitüdenhafte Randnotiz abgehandelt: siebenarmiger Kerzenständer, nach milchig und fleischig getrenntes Geschirr und ein bisschen angedeutetes Jiddisch müssen da ausreichen um „jüdisch“ zu signalisieren. Bei solch eigentlicher und gewollter Unernsthaftigkeit lässt sich allerdings nachvollziehen, was Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, in einem Interview mit dem Deutschlandradio veranlassen konnte zu meinen, er hoffe, ein Film wie Alles auf Zucker werde dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Juden und Deutschen aufzulockern.

Das Publikum hat an diesem Abend das seltene Glück Regisseur und Hauptdarsteller nach der Vorstellung mit Fragen löchern zu dürfen. Und die Anwesenden sind so begeistert von dem Film, dass sie sich diese Chance nicht entgehen lassen und sich auch nicht entblöden, sich nach der Dauer der Maske des lädierten Jaeckie, der Vorgehenswiese bei der Besetzung, der Dauer der Dreharbeiten und anderen wichtigen Dingen zu erkundigen. Doch Levy beantwortet mit sichtbarer Freude und Ausdauer noch die dämlichste Frage, voller Stolz über den Erfolg seines – ursprünglich als Fernsehproduktion geplanten – Films und scheint überhaupt keine Lust zu haben diese Fragestunde irgendwann einmal abzubrechen. Bis der etwas ungeduldigere Hübchen diese muntere Runde unterbricht und mit der rhetorischen Bemerkung „Gibt es jetzt noch weitere Fragen? Nee, wir gehen jetzt nämlich.“ den Abend würdig beendet.(Lina Dinkla)Alles auf Zucker läuft seit dem 6. Januar in den Passage-Kinos.

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